CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)

Canvas - Digital pigeon
(76:52, Privatpressung, 2007)

Eigentlich sollte die politische Einstellung ja keine offensichtliche Rückschlüsse auf die Musik zulassen bzw. irgendwelche Vorurteile auslösen, doch wenn eine Band auf ihrer Website folgende Botschaft veröffentlicht "Canvas Productions unterstützen enthusiastisch Präsident George W. Bush und die Männer und Frauen der bewaffneten Streitkräfte der Vereinigten Staaten", dann mutet dies doch recht eigenartig an. Vielleicht ist das Ganze jedoch auch nur sarkastisch gemeint. Doch die amerikanische Cowboy Mentalität bzgl. der Weltpolitik mal außen vor gelassen, denn schließlich geht es auf "Digital pigeon" doch "nur" um Musik. Der Klangkosmos von Canvas ist zum Glück keineswegs kriegerisch ausgerichtet, sondern führt laut eigener Aussage den Stil fort, den das Alan Parsons Project 1980 mit "Turn of a friendly card" vorzeichnete. Ingesamt agiert das Projekt von Matt Sweitzer und Chris Cobel, die sich diverse Gastmusiker mit ins Boot holten, jedoch um einiges progressiver und inhaltlich virtuoser. Hin wieder werden sogar einige moderate Brass-Elemente eingestreut, auch wenn ein deutlicher Hang zu poppigen, griffigen Melodien im West Coast Sound nicht zu leugnen ist. Doch ist diese Art von intelligenter, amerikanischer Popmusik mit sinfonischen, progressiven Wurzeln äußerst interessant gestaltet und verzichtet glücklicherweise komplett auf oftmals gehörte Plattheiten. Vor allem die stilistische Vielfalt, die vom Prog / Pop Sound immer wieder die Fühler in andere musikalische Bereiche ausfährt, macht dieses recht groovige Album zu einer kurzweiligen und überaus relaxten Angelegenheit. Als besonderes Schmankerl gibt's übrigens eine mit Bläsersätzen aufgepeppte Coverversion von Saga's "Catwalk", sowie die Weather Report Nummer "Teen town". Dadurch, dass sich Canvas konsequent zwischen den Genres bewegen, laufen sie natürlich Gefahr, zwischen allen Stühlen zu sitzen. Sicherlich sind sie für eine reinrassige Progband deutlich zu poppig, der reine Pophörer bekommt hier keine mitsingkompatible Songs im reinen Strophe - Refrain - Strophe Schema geboten. So ist "Digital pigeon" letztendlich ein ambitioniertes Album ohne inhaltliche Aufreger, auf seine Weise aber dennoch ausgewogen und vielschichtig gestaltet, somit durchaus einen Anhörversuch wert.

Kristian Selm



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