CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)

Sabicas with Joe Beck - Rock encounter
(41:45, Long Hair, 1966)

Es gibt gelegentlich Alben, die ihrer Zeit weit voraus sind. Man hört die Musik, schaut ungläubig auf das Aufnahmedatum und kann es einfach nicht fassen. So ist es mir mit diesem Album ergangen. Die Verbindung von Flamenco und Rock fand im Spanien der 70er Jahre zahlreiche Anhänger: Triana, Alameda, Mezquita, Diego de Moron und Gualberto um nur einige bekanntere zu nennen. Doch bereits im Jahr 1966 gab es den wohl ersten Versuch, diese beiden unterschiedlichen musikalischen Welten zu verschmelzen. Sabicas (bürgerlicher Name Augustin Castellón Campos) wurde 1912 in Pamplona geboren und gehörte bis zu seinem Tod am 14. April 1990 zu den bekanntesten Meistern der klassischen Flamenco Gitarre. Obwohl er nach eigenen Aussagen weder Jazz noch Rock besonders mochte, ließ er sich zur Zusammenarbeit mit dem Rock Gitarristen Joe Beck überreden. Begleitet wurden die beiden Gitarristen von exzellenten Session-Musikern. Besonders erwähnenswert ist, dass am Bass ein damals noch blutjunger Tony Levin auf einer seiner frühesten Aufnahmen zu hören ist. Gleich der erste Song "Inca Song" ist ein Highlight. Sabicas entspanntes akustisches Gitarrenspiel steht anfangs klar im akustischen Vordergrund. Joe Beck fügt psychedelische Gitarrensounds hinzu, die vernebelt aus dem Hintergrund erklingen. Gegen Mitte des Songs übernimmt Becks elektrische Gitarre die Führungsrolle. Das Stück entwickelt sich zu einer dynamischen Rocknummer, mit kraftvollen Drums und Orgel, bevor es dann mit Sabicas akustischer Gitarre endet. "Joe's Tune" beginnt mit Flamenco Gitarre und dezentem Pianospiel bis auch hier die gesamte Band einsetzt. Die ersten drei Minuten von "Zapateado" sind Flamenco in Reinkultur. Akustik Gitarre, Handklatschen und Tanz. Nach etwa drei Minuten ändert sich der Song drastisch zu einem heftigen Jimi- Hendrix-artigen Heavy-Psychedelic-Jam. Sabicas hat gegen die geballte elektrisch verstärkte Kraft der Rockinstrumente akustisch keine Chance mehr und verstummt bis zum nächsten Song. "Zambra" ist eher ein musikalisches Nebeneinander ein Miteinander. Kurze, rein akustische Parts und volles Rock-Programm wechseln sich gekonnt ab, allerdings mit Schwerpunkt auf Rock. "Flamenco Rock" ist ähnlich gestrickt, hier gewinnen aber die Flamenco-Anteile die Oberhand. Dazwischen liegt das mit 36 Sekunden kürzeste Stück "Handclaps", ziemlich selbsterklärend. Das absolute Highlight des Albums ist aber zweifellos "Bulerias". Ein unfassbar dynamisches Flamenco / Rock-Gebräu. Sabicas virtuoses Spiel trifft auf Becks harte Gitarrenattacken. Dazu erstmals schmetternder Flamenco-Gesang. Monster-Drums, dazu gnadenlose Orgelpassagen, hier stimmt einfach alles. Nichts erinnert hier auch nur entfernt an den Sound der 60er Jahre, damals absolut einzigartig. "Farruca" bildet den musikalischen Abschluss. Hier kann Sabicas wieder seine ganze Klasse als Solo-Instrumentalist unter Beweis stellen, bevor das Album dann doch psychedelisch / rockig zu Ende geht. Auch wenn Sabicas diese Album selber nicht mochte und es aus rein kommerziellen Gesichtspunkten aufgenommen hat, so ist es nicht weniger als ein frühes Meisterwerk progressiver Musik - im wahrsten Sinne. Dazu kommt die erstklassige Klangqualität der Aufnahmen. Wer auf der Suche nach außergewöhnlichen Scheiben ist, oder einen Faible für spanisch inspirierte Rockmusik hat, sollte sich dieses einzigartige Juwel nicht entgehen lassen.

Andreas Kipp



© Progressive Newsletter 2007