CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)

Polyphony - Without introduction
(37:32, Radioactive Records, 1972)

Zum wiederholten Male wurde ein nostalgisches Kleinod der Frühphase des amerikanischen Progressive Rocks ausgegraben. War das bereits 1971 aufgenommene "Without introduction", das einzige Album der Formation Polyphony, bereits vor einigen Jahren bei einer griechischen(!) Plattenfirma aufgelegt worden, so ist es mittlerweile beim amerikanischen Reissue Label Radioactive Records nochmals erschienen. Eine sehr kluge Entscheidung, denn diese Scheibe gehört sicherlich zum Interessantesten, was in den frühen 70ern im klassischen Progbereich in den U.S.A. produziert wurde. Viele Informationen zu dieser kurzlebigen Band sind leider nicht verfügbar, deswegen gleich zur Musik: mit mächtigem Georgel und schweren Moog-Synthiesalven, sowie temporeichen, komplexen Rhythmen lässt der Opener "Juggernaut" ganz eindeutig Erinnerungen zu ELP und The Nice aufkommen. Doch im weiteren Verlauf des Stückes, sowie auch in der gesamten Albumbetrachtung, lösen sich Polyphony immer mehr von diesem Vergleich, denn verklärt heulende und schwer verzerrte Gitarrenfiguren und sachte verwobene Perkussion sorgen für einen gekonnten Brückenschlag zwischen Progressive und Psychedelic Rock. Jedoch sind Polyphony ganz offensichtlich vor allem von britischen Einflüssen geprägt, eine eigene mehr amerikanisch geprägte Note ist hier im Gegensatz zu später aktiven Bands aus der schönen neuen Welt nicht zu finden. Als ruhender Gegenpol in den zumeist instrumentalen Stücken dienen die wenigen Gesangspassagen, die von einer pastoralen, 60er Jahre geprägten Atmosphäre durchdrängt sind. Gerade mal vier Stücke findet man auf dem Album, wobei das knapp 1-minütige "40 second thing in 39 seconds" eher als Klangspielerei zu verstehen ist. Somit nehmen sich Polyphony jede Menge Zeit für die Ausgestaltung ihrer Ideen, bietet sich für die beiden Solisten an Orgel / Moog und Gitarre genügend inhaltlicher Freiraum. Die schweren, leicht verspielten Rhythmen sind keinesfalls weniger interessant, doch die prägnanten Bassriffs treten weit weniger offensichtlich in den Vordergrund als die ständig präsenten Tasten. Der sinfonisch geprägte, psychedelisch verfremdete Stil der fünfköpfigen Band schwankt zwischen sperrigen Fragmenten und einer etwas drogengeschwängert scheinenden Lässigkeit. Kein unbedingt leichter Stoff, aber keinesfalls zu überladen oder zu komplex, dafür intensiv und vor allem instrumental durch die recht ungewöhnliche Hinzunahme von treibender Perkussion, sehr faszinierend gestaltet. Gegen die ganz großen Bands der Vergangenheit ziehen Polyphony zwangsläufig den Kürzeren, ein beachtens- und hörenswertes Album für die frühen 70er ist ihnen aber zweifelsohne gelungen.

Kristian Selm



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