CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)

Barclay James Harvest - Live tapes
(56:34 + 43:38, Eclectic Discs, 1978)

Ende 2006 erschienen bei Eclectic Discs fünf Alben von Barclay James Harvest zum Teil zum ersten Mal auf CD, zum Teil mit Bonustracks und erweitertem Booklet. Neben den eher mainstreamigen und wenig mitreißenden Alben "Face to face" (1987) und "Welcome to the show" (1990), wurde "Eyes of the universe" (1979) zum ersten Mal in digitaler Form aufgelegt, wie endlich auch das legendäre Konzert in "Berlin" (1982) mit allen 11 Titeln, wie in seiner Vinylerstauflage, erhältlich ist. Als Highlight der 5 CDs sticht jedoch das Doppelalbum "Live tapes" heraus. Die ursprüngliche Idee von "Live tapes" war es, ein Livealbum mit älteren Titeln für den amerikanischen Markt aufzunehmen. Doch das Musikerleben hat eben manches Mal seine eigenen Überraschungen parat. Denn der Deal mit Amerika platzte und für die Heimat schien das 1976 aufgenommene Material nicht unbedingt geeignet, denn dummerweise hatte man erst 1974 mit "Live" ein Livealbum mit ähnlichem Songmaterial vorgelegt. So wurden einfach kurzerhand einige aktuellere Titel von der 77er Tour ergänzt und das Doppelalbum in England, wie auch in Rest-Europa veröffentlicht. Im Vergleich zum vier Jahre zuvor erschienenen Livealbum "Live" wirken Barclay James Harvest auf "Live tapes" etwas gebremster, spielerisch zurückgenommener, aber gerade durch die mannigfaltigen Mellotronsounds von Woolly Wolstenholme immer noch sinfonisch dominiert. Gerade der inhaltliche Gegensatz zwischen den ruhigeren Titeln von "Gone to earth" und dem älterem Material ("Mockingbird", "For no one", "Child of the universe" oder "Medicine man") wird hier recht deutlich, andererseits sorgte gerade der sorgsam und bombastisch arrangierte Soft Rock dafür, dass man in Deutschland die Konzersäle füllte und auch mit diesem Album in die Verkaufscharts kam. Die liebevoll aufgemachte Wiederauflage von Eclectic Discs im Pappschuber und mit erweitertem Booklet enthält zusätzlich noch "Medicine man", welches ursprünglich im März 1977 auf einer EP erschien, sowie den Bonustrack "The world goes on" und das bisher gänzlich unveröffentlichte "Hymn for the children". Damit das Konzertfeeling nicht verloren geht, wurden die Titel aus diversen Konzerten übergangslos und wirklich passend zusammengemischt. Leider wirkt der Gesamtsound dennoch etwas drucklos und höhenlastig, was das Hörvergnügen doch etwas trübt. Zwar sorgte "Live tapes" für den endgültigen kommerziellen Durchbruch von Barclay James Harvest in unseren Breitengraden, von seiner energetischeren Spielweise und vom Songmaterial zieht es jedoch gegenüber "Live" den kürzeren. Dennoch: ein gutes Livealbum für die Mid-70er Phase der Band.

Kristian Selm



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