CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)
Hal & Ring - Alchemy
(44:55, Poseidon / Musea, 2006)
Tarnen und täuschen. Erweckt das Cover von Hal & Ring den Anschein eines billigen Computerspiels, bekommt man von der japanischen Formation im Opener "Sir Bordenhausen" gleich typischen Retro Prog mit mächtig viel analogen Keyboardsounds und Georgel um die Ohren geblasen. Alles also klar: ein weiteres 70s Style Album in leicht überdrehter japanischer Spielweise und Geschichten von Elfen und Drachen aus einer Fantasywelt? Mitnichten! Zuerst einmal wird hier weder gesungen, noch musikalisch nur in der Vergangenheit gewildert. Zwar sorgt die doppelte Keyboardbesetzung für mächtig viel Tastenpower, jedoch erstaunlich geschmackvoll und keineswegs übermäßig erschlagend eingesetzt. Dabei ist die rückwärtige Ausrichtung keineswegs unbegründet, denn zwischen 1975-76 waren im fernen Osten zwei Bands namens Hal und Ring aktiv, aus denen sich nun die Mitglieder dieses gemeinsamen Projektes rekrutieren. Einige Musiker von Hal gründeten etwas später übrigens Shingetsu, eine der Band-Urgesteine der Nippon Progszene. Die Ursprünge eines Großteils des Materials dieses Albums haben fast 30 Jahre auf dem Buckel, digitale Technologie und persönliche Weiterentwicklung machen "Alchemy" jedoch nicht nur zu einem reinen Nostalgietrip. Nach dem offensichtlichen Retroeinschlag des Openers, haben anschließend wesentlich mehr Jazz Rock und Fusion Elemente, sowie leicht runderneuerte Sounds das Sagen, jedoch sehr gut durchmengt von Einflüssen aus sinfonischem Progressive und Art Rock, aber auch ganz leichten psychedelischen Einsprengseln. Da wird bei "Triplet colors II" ganz langsam die intensive Stimmung aufgebaut, sorgt energetischer Blues / Hard Rock bei "Open before knock" für satte Erdigkeit, während bei "Altered states II" auch mal Loops und aktuelle Sounds im modernen King Crimson Fahrwasser verwendet werden. Doch mit "In memory of Charnades the Pan" ist ebenfalls ein klassischer Progsong am Start. Dazu steuert man solistisch einen steten, spannungsgeladenen Kampf zwischen Tasten und Gitarren bei, der aber seine Kraft mehr aus atmosphärischen Findigkeiten, denn aus alleiniger Komplexität und Bombast zieht. Über weite Strecken besitzen die sieben Titel auf "Alchemy" ansprechendes und fesselndes Niveau, jedoch fehlt in einigen Momenten mitunter trotz guter Ideen der allerletzte Funke, wünscht man sich, dass die Spannung noch etwas weiter gesteigert würde, die Dynamik etwas verspielter wäre. Nichtsdestotrotz ist "Alchemy" ein überaus interessantes und vielschichtiges Album, das relativ unjapanisch den Hörer fesselt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2007