CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)
Parthenon - Mare tenebris
(66:21, Luna Negra / Musea, 2005)
Die sind ja lustig, diese Venezuelaner. Da will man sich doch zunächst mal beschweren, dass man defekte Ware erhalten hat. Ist doch tatsächlich das Front- wie auch das Back-Cover abgeschnitten, so dass man nur ein 80-prozentiges Booklet statt ein vollständiges in der Hand hält. Aber das hat seine Richtigkeit, wie sich schnell herausstellt, ist es halt ein netter Gag. Bei der Musik hat man aber nichts abgeschnitten, denn hier wird über eine Stunde Musik abgeliefert. Die Venezuelaner haben ihre nach einem griechischen Tempel benannte Band bereits 1979 gegründet. Offenbar war man aber seinerzeit nicht in der Lage gewesen, Kontinuität zu erreichen, denn nach diversen Besetzungswechseln löste man sich bald wieder auf, ohne überhaupt ein Album produziert zu haben. Einer der Beteiligten wechselte übrigens zu Venezuelas bekanntester Prog-Band, nämlich Tempano. Zu Beginn des neuen Jahrtausends fand man dann überraschenderweise doch wieder zusammen, um schließlich Titel, die sich im Laufe von 4 Jahren angesammelt hatten, auf CD zu verewigen. Chef der Band ist wohl Keyboarder Roberto Santamaria, der manchem vielleicht auch von seiner Band Amarok bekannt sein dürfte. Sein variables Keyboardspiel drückt der Musik von Parthenon eindeutig den Stempel auf und lässt zwangsläufig bisweilen an Emerson denken. Lediglich auf 3 Titeln wird gesungen, wobei ich Sängerin Marta Seguras als durchschnittlich begabt ansehe. Dies sind dann übrigens auch die kürzeren Titel. Die Kompositionen sind im anspruchsvollen Symphonikrockbereich anzusiedeln, gelegentlich auch mal leicht angejazzt, gut arrangiert, aber nicht zu ausufernd und eher melodiebetont als auf krumme Töne aus. Keyboard-Prog aus Südamerika ist heutzutage durchaus nichts Unübliches, Parthenon gehören in die gehobene Kategorie. Gitarrist Pere Vilardell setzt sich ebenfalls bisweilen gut in Szene, hätte aber für meinen Geschmack auch gerne etwas mehr Spielraum haben dürfen. Das Quintett wird von zwei Gastmusikern unterstützt, nämlich Victor Estrada (Theremin) und Kerstin Kokocinsky (Oboe, Englischhorn). Schade, dass Letztere nur wenige Beiträge abliefern darf, denn der kurze Einsatz im Titelsong oder die schöne Kombination von Oboe und Mellotron im 18-Minüter "Puentes destruidos" zeigen, dass dies eine nette Abwechslung in die Stücke bringt. Davon hätte es gerne mehr sein dürfen. Alles in allem ein sehr ordentliches Album, das lediglich gegen Ende ein wenig abflacht, was auch daran liegt, dass die letzten drei Titel Bonustitel in Form von Demos bzw. Liveaufnahmen aus den frühen 80ern sind und qualitätsmäßig deutlich abfallen. Diese sind wohl nur aus historischen Gründen auf die CD geraten. Übrigens erinnert die Demoversion von "Utopia" kurz mal sehr an das Duett von Mist und Eroc in "Golden mist" auf Grobschnitts Solar Music Live.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2006