CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)

The Ed Palermo Big Band - Take your clothes off when you dance
(53:40, Cuneiform, 2006)

War es vor einem oder zwei Jahren?! Nach seinem Konzert auf der Zappanale verabschiedete sich Ed Palermo von seinem Vorbild Frank Zappa. Er wollte neue Programme spielen. Sein Big Band Ensemble auf andere Komponisten einschwören. Dann hieß es, er gebe noch eine letzte Show hier, eine letzte dort. Dann gab er noch ein Konzert und trat ein weiteres Mal auf. Alles mit dem heiß und innig geliebten Zappa. Schließlich war nix mehr zu hören, die Newsletter-Emails blieben aus, bis der Frontalangriff kam. Ed Palermo war wieder da, mit, genau, einem Frank Zappa Programm. War nix mit aufhören. Einige können die Pfoten nicht von den Kippen lassen, andere nicht von den Weibern, Ed nicht von Zappa. Als Krönung der Wiederkehr legt der gute Mann nun ein Album vor, das auf dem Avant / Jazz / Improv / Prog-Label Cuneiform veröffentlicht worden ist (ähm, anders herum, Cuneiform legen das Album vor...). Der Zappa auf "Take your clothes off when you dance" ist kein typischer Zappa. Der Titelsong taucht als Samba-Verschnitt aus dem breitesten brasilianischen Strand auf, die Männer alle nackt, die Dame steht beleidigt und bekleidet daneben. Party! Keine Zappa-Komposition ist nahe am Zappa dran. Alles ist verpalermotet. Selbst die Rhythmusfraktion, bei Zappa immer ein gut ausgestattetes Festival der vielen Töne, wagt sich komplett weg von den typischen Zappa-Dingen und neue Schritte in Richtung Jazz, Swing, liedhaften Rock. Die Mallets sind eher konservativ gespielt und ins Off verbannt. Hin und wieder darf die - komplett unzappaeske - Gitarre mal ein schniekes Solo ertönen lassen, dann geht sie wieder zurück ins Glied und illuminiert den schweren Background. Auch wenn "Take your clothes off when you dance" entzapparisiert wurde (und nur die kompositorischen Eckpfeiler die Themen erkennen lassen), ist die Palermo Big Band weit davon entfernt, genügsamen Mainstream zu spielen. Mainstream der Minderheiten, gewiss. Und doch ein Sound für eine breite Masse Musikfans. Die wollüstige Energie und süffige, dekadent-chaotische Leidenschaftlichkeit der Themen hat ein neues Feld gefunden, dem sie sich gern und völlig hingeben. Diese Bläser rasieren, blubbern, illuminieren, rasen und stolpern, von kraftvollem Rhythmus angetrieben, dynamisiert, im Zaum gehalten. Was für eine Meute. Alles ganz normale Erwachsene, jeder mit seinem ganz persönlichen Spleen. Jeder für sich allein ist vielleicht so interessant wie Angeln im toten Meer. Und zusammen sind sie das Herz eines wilden Stieres, kraftvoll, mörderisch stark und nicht zu stoppen. Pardon, wollte eigentlich nicht so emotional abtreten. Die Musik ist Schuld!

Volkmar Mantei



© Progressive Newsletter 2006