CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)
Koenjiyakkei - Viva Koenji!!
(58:39, Skingraft Records, 2006)
Von Null auf Hundert ab sofort. Musik von Menschen, die absolute Akkuratesse LIEBEN und diese ihre Vorliebe ins extremste und leidenschaftlichste Stück Musik betten, das man mit offenen Sinnen und ein wenig Verstand zu hören freiwillig noch geneigt sein mag. Yoshida Tatsuya, Schlagzeuger, "Sänger", Keyboarder, hier mal Gitarrist, dort mal Bläser und vor allem Komponist diverser ausgefallener Arten Musik, lädt mit seinem Ensemble Koenjihyakkei (und nicht Korekyojinn) erneut zum fröhlich-entspannten Lauschen neuer Ideen. Der Ruins-Mann hatte schon alle möglichen abgefahrenen Ideen, mal spielte er (mit seinem Projekt Ruinzhatova) das komplette, 18-minütige "Close to the edge" von Yes in einer mordskrachenden - und überaus exakten - Avantgarde Version (samt Vogelgezwitscher, den er selbst, ähm, sang) oder versuchte sich mit dem Projekt Knead im LP-langen Komplett-Chaos. Eine Platte, 8 Songs, nur elektrischer Lärm, existiert wirklich, wurde vom Fraktal Label veröffentlicht - und vermutlich gar ein paar Mal verkauft. Yoshida Tatsuya mag alle abgefahrenen Musikstile: Balkan-Blasmusik, Progressive Rock, Punk, Jazz, extremes Komplexgeknüppel (das er live in der exaktesten Weise wiederzugeben in der Lage ist) - und Zeuhl. Mit "Viva Koenji!!" folgen Koenjihyakkei erneut erstaunlich genau nachempfunden den Kobaianern Magma in die komplex ausgebildeten Weiten des Weltalls. Als wollte eine Punk-Band Prog machen, so derb klingen die 10 Songs der CD beim ersten Mal. Hart gespielt, düstere Atmosphäre, ultraschnelle Motive, wilder, peitschender Gesang und instrumentales Spiel in unglaublicher Exaktheit, Metren- und Melodiewechsel auf verflixt anspruchsvolle und beim einmaligen Hören gar nicht aufnehmbare Weise - und dabei klingt das Ensemble locker und entspannt, welch Wahnsinn! Und welch Genuss, wenn man diesen kriegerischen Gesängen und der leidenschaftlich und aufgedreht anstürmenden Musik voll Neugier (und starken Nerven) begegnen kann. Das knüppelt! Und doch klingt die erst chaotisch anmutende Lautstärke mit vielen Tönen auf wenig zeitlichem Raum im Laufe des mehrmaligen Abspielens nachvollziehbar. Koenjihyakkei entfachen den allerfettesten Bombast mit stakkatoartigen Gruppengesängen und rhythmisch stark akzentuiertem instrumentalen Spiel. Die Keyboards haben auch schon mal Fanfarenklänge drauf, wie einst Emerson, Lake & Palmer. Bass und Schlagzeug scheinen in ihrem harten Klang und der Spielweise von Punk und Metal inspiriert. Alles auf der neuen CD, wie bereits auf dem Vorgänger "Angherrr Shisspa", ist auf magmaesken Gesang orientiert, den das Quartett im Gruppengesang komplett gibt und der in den "Strophen" zumeist von den beiden Damen Kubota Aki und Harada Jin gesungen wird. Die kobaianischen Texte (die französische Fangemeinde Magmas wird sofort die Lyrics auf Exaktheit überprüfen) sind im Booklet abgedruckt, wer's mag, kann mitsingen. Addiert Magmas "Köhntarkösz", King Crimsons "Red" und Presents "No. 6" und nehmt die Summe zum Quadrat, dann habt ihr etwa die überfallartige Energie des 10-minütigen Openers "Grembo Zavia". Sicher spielt die Band auch mal ein "etwas" zarteres Stück, aber auch das hat den japanischen Überdrehtheitsfaktor. Wenn ich die Musik jetzt "genial" titele, findet das sicher keinen kommerziellen Nachklang. Tipp!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2006