CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)

Jade Warrior - Floating world
(36:47, Eclectic Discs, 1974)
Jade Warrior - Waves
(44:36, Eclectic Discs, 1975)
Jade Warrior - Kites
(36:34, Eclectic Discs, 1976)
Jade Warrior - Way of the sun
(41:27, Eclectic Discs, 1978)

Mit der Wiederveröffentlichung der vier wichtigsten Alben von Jade Warrior aus den Jahren 1974-78 setzen Eclectic Discs ihre qualitativ hochwertige Re-Release Politik fort. Die zu jener Zeit nur noch als Duo agierende Band, bestehend aus Tony Duhig (Gitarre) und Jon Field (Flöte, Percussion, Keyboards), unterschrieb durch eine Empfehlung eines gewissen Steve Winwood bei Island, dessen Gründer Chris Blackwell ganz besonders von der innovativen, instrumentalen Weltmusik von Jade Warrior angetan war. Die sehr harmonische Verbindung aus asiatischen und afrikanischen Einflüssen mit ruhigem Progressive / Jazz Rock war zu jener Zeit noch neu und frisch, hat aber auch nach über 30 Jahren nichts von seiner musikalischen Kraft eingebüsst. "Floating world" wurde nicht nur zum Favoriten von Labelboss Chris Blackwell, in der gesamten Diskografie von Jade Warrior nimmt dieses Werk eine herausragende Stellung ein. Zwar bestimmen vor allem asiatische, sehr ruhige Einflüsse dieses Album, doch bricht zwischendurch auch mal erdiger Rhythmus und vor allem innovatives, sehr gefühlvolles E-Gitarrenspiel durch, was der lyrischen Grundstimmung des Albums einen rockigen Gegenpol bietet. Durch die fast übergangslos ineinander gehenden Stücke entsteht ein harmonischer Fluss, der jedoch durch Instrumentierung (sehr viel akustische Instrumente) und Dynamikwechsel die Spannung aufrecht hält. Auf dem ein Jahr später erschienen "Waves" sind die asiatischen Einflüsse fast gänzlich verschwommen, dafür bevorzugen Jade Warrior einen sehr relaxte, harmonische, fast schon schwebende Art des Musizierens, die von jazzigen Mustern getragen wird. Auch sind die zwei langen, sehr langsam sich entfaltenden Suiten, die aus diversen Motiven und Untertiteln bestehen (knapp 20 bzw. 25 Minunten lang), insgesamt rhythmusbetonter und u.a. darf auch Bandförderer Steve Winwood einige Soli an Moog und Piano beisteuern. Dennoch ist dieses Album ebenfalls von einer pastoralen, geradezu friedfertigen Stimmung durchzogen und erinnert zuweilen an Popol Vuh. Um jedoch nicht in Schönklängen zu ersticken, wartet der Mittelteil von "Waves Part II" mit einem kernigen, groovigen Gitarren- und Moogsolo auf (nicht von ungefähr nennt sich dieser Part "Groover") und steuert den Track kurzfristig in höheren Wellengang, bevor wieder Ruhe eingekehrt. Bei "Kites" fällt zuerst die recht große Anzahl an Gastmusikern auf (u.a. Fred Frith an der Violine), wie dieses Album musikalisch ebenfalls wieder mehr Richtung Osten geht und vor allem auf jede Menge Atmosphäre aufbaut. Durch die klangliche Vielfalt, der Verbindung von asiatischen Klängen mit moderner Klassik, entstehen meist sehr ruhige Klanglandschaften, die besonders im ersten Teil an die Frühwerke von Mike Oldfield ("Ommadawn") erinnern. Die Musik nimmt sich Zeit, um langsam abstrakte Stimmungen entstehen zu lassen. Vor dem inneren Auge ziehen förmlich Wind und Vögel vorbei, entstehen in der Vorstellung Orte voll innerer Ruhe. Bereits der Blick auf das Cover lässt es erahnen: verschwunden sind die asiatischen Motive, vielmehr weist die Optik auf die Pyramiden der Mayas hin, wie auch der Albumtitel den "Weg der Sonne" weist. Somit geht die musikalische Reise auf dem 78er Werk von Jade Warrior sehr behutsam nach Lateinamerika, handelt inhaltlich von der ägyptischen Gottheit Ra. Doch zwischen sorgsam eingewobener lateinamerikanischer Rhythmik, ist "Way of the sun" vor allem sehr sinfonisch, fast schon weitgreifend cineastisch geprägt. Die fragilen Melodien, die Momente der Ruhe, sind durchbrochen von dynamischer Euphorie, was hier für wesentlich mehr inhaltliche Abwechslung sorgt. Trotzdem überwiegen meist die sanften Augenblicke, der Rockaspekt kommt jedoch keineswegs zu kurz. Leider wurde bei allen Alben auf Bonustracks verzichtet bzw. es lagen eventuell einfach keine passenden Titel aus jener Zeit vor. Somit muss man mit etwas kurzen Albumlängen Vorlieb nehmen, die aber durch den musikalisch vollwertigen Gehalt wieder relativiert werden. Einen Überblick über die Bandhistorie bzw. den Entstehungsprozess jedes Albums, runden diese digitalen Neuauflagen ab.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006