CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)

Guru Guru - Dance of the flames
(52:09, Revistited Records, 1974)
Guru Guru - Mani und seine Freunde
(53:46, Revistited Records, 1975)
Guru Guru - Heydu
(46:22, Revistited Records, 1979)
Guru Guru - 30 Jahre Live
(67:38 + 45:55 + 50:14, Revistited Records, 1998)

Die Historie von Guru Guru gehört sicherlich zu den farben- und facettenreichsten Rock-Karrieren Deutschlands. Bereits 1968 aus der Taufe gehoben, blieb in all den Jahren lediglich Schlagzeuger / Sänger Mani Neumeier die einzige Konstante. Mit seinen diversen Bandkollegen, in einem fast stetigen Kommen und Gehen, wurde nicht nur jeder erdenkliche Stil gestreift, sondern Guru Guru spielten bereits World Music und Ethno, als diese Begriffe noch gar nicht erfunden waren. Einzig der sympathische Anarcho-Humor des Bandleaders blieb über all die Jahre bestehen, ansonsten kümmerte man sich nie um irgendwelche zeitgeistlichen Anpassungen, sondern zog einfach nur sein ganz eigenes musikalisches Ding, abseits irgendwelcher angesagter Trends durch. Seit Ende 2005 hat sich nun das Reissue Label Revisted Records daran gemacht, die Geschichte von Guru Guru digital aufzubereiten. Während aus der ersten Reihe das 97er Werk "Moshi Moshi" eher im Rockbereich verhaftet ist, das aktuelle Album "In the Guru Guru Lounge" zum Teil mehr in die chillige Jazz Rock Kerbe schlägt, offenbaren die ebenfalls in dieser Reihe wieder veröffentlichten Alben aus den 70ern doch noch eine ganz andere musikalische Richtungsweise als die späteren Werke. "Dance of the flames", das sechste Album der Band, entstand 1974 in einer kurzlebigen Triobesetzung, mit dem ehemals bei den Krautrockern Eiliff spielenden Gitarristen Houschäng Nejadepur, sowie Hans Hartmann am Bass. Nur durchbrochen von sehr kurzen Gesangseinlagen, lebt dieses Album vor allem von den ausgiebigen Soloeskapden des Gitarristen. Im stilistischen Grenzbereich zwischen expressivem Jazz Rock und als jammendes Power Trio, werden oftmals Erinnerungen an das Mahavishnu Orchestra geweckt, auch wenn Guru Guru eine Spur weit weniger verzwickt, aber dennoch sehr druckvoll und komplex agieren. "Dance of the flames" klingt bis auf den gelegentlichen bayrisch angehauchten englischsprachigen Gesang wie eine internationale Produktion, die sich keineswegs vor der Konkurrenz aus dem Ausland zu verstecken braucht. Bereits ein Jahr später entstand mit "Mani und seine Freunde" eine ganz andere Scheibe. Guru Guru waren als Band vorerst Geschichte und Mani Neumeier holte sich ganz dem Albumtitel entsprechend einfach einige seiner musikalischen Freude mit ins Studio. So wurde ein Großteil des Albums von Kraan Musikern eingespielt, was sich nicht unerheblich im humorigen, groovigen Jazz Rock / Fusion durchsetzten Songmaterial niederschlägt. Kurz und knapp: die erste LP Seite ist eine der besten Kraan Alben, die nicht von Kraan stammen. Im zweiten Teil des Albums schlägt dann mehr der World Music Gedanke und extreme Experimentfreudigkeit durch und afrikanische Rhythmen und schräge Klangcollagen zeigen wieder einmal eine ganz andere Guru Guru Facette. Dass "Heydu" in einer Zeit des musikalischen Umbruchs, anno 1979, aufgenommen wurde, wird bereits beim Opener "Starway" offenkundig. Funkiger Discorhythmus bestimmt das Handeln und auch ansonsten macht sich eher inhaltliche Rat- und Richtungslosigkeit breit. Auch wenn immer noch "Light" Jazz Rock als Grundgerüst dient, wirkt vieles recht seicht, geradezu poppig, aber leider auch wenig inspiriert. Da passt selbst der sonnige, kurzzeitige Bandname Guru Guru Sun Band ins Gesamtbild. "Heydu" gehört sicherlich in der Kategorie der schwächeren Guru Guru Alben, da kann selbst der düstere und sehr ansprechende "Atommolch" nicht mehr viel retten. Weit mehr als 3.000(!) Konzerte gaben Guru Guru seit ihrem Bestehen, ein Dokument der Livepower der Band wurde mit dem 98er Album "30 Jahre Live" vorgelegt. Dabei handelt es sich jedoch keineswegs um eine "Best of" aus dem umfangreichen Backkatalog der Band, sondern bisher unveröffentlichtes Material (das grandiose "Space baby"), wie auch einige Klassiker, z.B. der unverwüstliche "Elektrolurch" wurden zusammen auf der Bühne vereint. Zusammengehalten von einer fast schon sphärischen Atmosphäre und ausgelassener, relaxter Partylaune entsprechend des gegebenen Anlasses, entsteht dennoch ein homogener Konzerteindruck, zumindest auf CD 1. Auf der zweiten CD kommen dann jede Menge Gäste zum Zuge, wie z.B. Can Gitarrist Michael Karoli oder auch Kraan / Karthago Keyboarder Ingo Bischoff. Hier wird kräftig gejammt und improvisiert, leider werden jedoch einige Titel völlig überraschend ausgeblendet, was der Liveatmosphäre nicht gerade besonders förderlich ist. Die Bonus CD, die von einem 71er Konzert in Frankfurt stammt, dokumentiert dann nochmals in eher historischer Klangqualität die ungezügelte Energie, mit der Guru Guru in ihren Anfangstagen werkelten. Wie bei allen Reissues von Revisited Records enthält jedes Album ergänzende Liner Notes zur Entstehungsgeschichte der jeweiligen Scheibe, Bonusmaterial und eine aufwändige Verpackung als Digi Pack.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006