CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)
Crépuscule - L'hymne à la vie
(67:37, Privatpressung, 2006)
Bandname und Albumtitel legen es schon nahe: Crepuscule kommen aus ... Karlsruhe! Natürlich. Das ist doch mal was Neues - eine deutsche Band, die ihr Debütalbum komplett in französischer Sprache vorstellt. Und angesichts des Albumtitels dürfte auch klar sein, dass die Prog-Legende Ange aus Frankreich nicht unwesentlichen Einfluss auf die hier tätigen Musiker gehabt hat. Um beim Ungewöhnlichen zu bleiben: auch bei der Aufmachung haben sie sich einiges einfallen lassen. Die CD findet sich in einer DVD-Hülle, die beiliegenden Info-Hefte sind ebenfalls auf DVD-Format angepasst. Und hierbei wird deutlich, wie viel Mühe sich die Band mit der Präsentation dieses Werk gegeben hat. Hier wird ein Konzeptalbum über das Leben, das Erwachsenwerden, Rituale, Kriege, den Tod mit viel Liebe fürs Detail auch optisch sehr ansprechend präsentiert. Das allein hat schon mal einen Bonuspunkt in der Bewertung verdient. Insgesamt 19 Titel sind thematisch auf fünf Titel mit Spielzeiten zwischen 3:05 und 20:17 verteilt. Ungewöhnlich hier die Spielzeiten von Kapitel 2 und 5 mit den abgedruckten Zeiten 17:98 bzw. 5:76. Vielleicht mag mir jemand diese Skalierung mal erklären? Aber nun zur Musik. Ihr Ziel ist es, das Thema mit Leidenschaft umzusetzen, und die französische Sprache eignet sich nun mal bestens, eine gewisse Theatralik authentisch einzubringen. Und dies gelingt Sänger Franco Rouvinet mit Abstrichen recht gut. Wer prinzipiell französischen Gesang nicht mag, hat natürlich schlechte Karten, denn Rouvinet ist zwangsläufig recht präsent. Zu Beginn erinnert mich sein Sprechgesang an eine Mischung aus Mona Lisa und Saga de Ragnar Lodbrok. Und auch musikalisch sehe ich einige Parallelen zu Mona Lisa. Speziell am Ende - beim Titelsong - klingt es (wen wundert's) schwer nach Ange. Rouvinets Mitstreiter sind: Günter Kern (Tasten, Akkordeon), Andreas Groß (Schlagzeug), Thomas Geiger (Bass, Gitarre) und Gerald Rouvinez (Gitarre). F. Rouvinet und G. Rouvinet?! Zufällige Namensähnlichkeit oder Druckfehler und in Wirklichkeit Brüder? Laut Homepage wurde die Band vor rund 20 Jahren von den Rouvinez-Brüdern gegründet, aber man bleibt im Booklet hartnäckig bei F. Rouvinet. Das verstehe, wer will - sei's drum. Zurück zur Musik. Es geht mit sphärischem Keyboardintro und Sprechgesang los, was so klingt, als würden Mona Lisa "Ocean" von Eloy covern. Bei zwei Titeln darf mit Gastmusiker Josef Held ein Gast-Saxofonist ran. Hier kommt ein leichtes Floyd-Feeling auf, und am Ende des Albums wird auch mal kurz Genesis zitiert. In der Mitte des Albums gibt es auch mal einen experimentellen Instrumentalausflug, der mich stellenweise an Seven Reizh erinnert. Die Tastenarbeit ist meist mannschaftsdienlich angelegt, eher auf Klangflächen und atmosphärische Untermalung denn auf wilde Soli ausgerichtet. Ähnliches gilt für die Gitarreneinsätze: nicht auf Effekthascherei aus, sondern effizient eingesetzt, wobei hier gerade der hohe Akustikgitarrenanteil auffällt. Auf wirklich harte oder auch schräge Passagen wartet man vergeblich, allerdings sind hin und wieder interessante atmosphärische Instrumentals eingebaut. Der innere Aufbau des Albums ist schlüssig, den Höhepunkt bietet der abschließende Titelsong. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Werk in sehr ansprechender, spannender Form auch live präsentiert werden kann. Auch wenn die instrumentale Umsetzung mir insgesamt noch eine Spur zu zahm ist, ich mir gerne mal härtere und kantigere Parts gewünscht hätte, so weiß dieses Werk insgesamt doch zu gefallen. Gerade Fans von Bands wie Ange und Mona Lisa haben jetzt mit Crepuscule eine ansprechende Alternative. Bin mal gespannt, wie es mit der Band weiter geht, denn sie haben sich offensichtlich noch einiges vorgenommen.
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2006