CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)
Canossa Rock Opera
(78:38, Ma.Ra.Cash Records, 2006)
Seit den Anfängen der Rockmusik versuchten sich bereits verschiedene Komponisten und Künstler an der Idee einer Rockoper. Ging es Ende der 60er vor allem darum, populäre Musik mit einem konzeptuellen Hintergrund und Anspruch zu verpacken, so verkam dieser Begriff im Laufe der Zeit zum Teil immer mehr zu einem Deckmantel von aufgeblasenen, meist jedoch inhaltsleeren Ideen, die publikumswirksam verkauft werden sollten. Doch gerade in den letzten Jahren erfreut sich der Begriff "Rockoper" wieder einer gewissen Beliebtheit - vor allem im härteren Rockbereich hat man seine Vorliebe für aufwändig gestaltete Konzeptwerke wieder entdeckt. Das Konzeptwerk "Canossa" bekam ebenfalls den Stempel "Rock Opera" verpasst, augenscheinlich jedoch vor allem deshalb, um damit eine größere Aufmerksamkeit zu erreichen. Bei genauer Betrachtung handelt es sich bei diesem liebevoll und sehr detailverliebt gestalteten Werk nämlich um eine Ansammlung von diversen Progressive Rock Bands aus Italien, die sich mehr in Richtung Retro Prog bewegen und lediglich durch das Thema, das sich um die Burg Canossa (u.a. der sprichwörtliche "Gang nach Canossa") in der Provinz Reggio Emilia, sowie die Markgräfin Mathilde dreht, zusammen gehalten werden. Als Ideengeber und Produzent fungierte dabei Gigi Cavalli Cocchi, u.a. der aktuelle Schlagzeuger von Mangala Vallis, sowie ebenfalls bei Ligabue aktiv. Es wechseln sich Stücke von sieben, bis auf Mangala Vallis, relativ unbekannten Bands mit kürzeren Erzählpassagen ab, wobei das musikalische Niveau erstaunlich hoch bleibt, auch wenn es logischerweise einige wenige Ausreißer nach unten gibt, wie z.B. das etwas zu aufgesetzt und schmachtend virtuos daherkommende "Il suo richiamo" von Master Experience, welches das Album abschließt. Der Gesang und die gesprochenen Worte sind komplett in italienisch gehalten, was zwar das Verständnis erschwert, jedoch eindeutig besser zur Musik passt, die mit dem typisch mediterranen Pathos und eindringlichen, aber niemals überzogener Leidenschaft aufwartet. Jede Band hinterlässt dabei ihre ganz eigene Note, wobei hier vor allem "Pietra du Pieta" mit typischem Retro Prog von Mangalla Vallis, das ebenfalls auf die Vergangenheit setztende "Il poeta" von Oltremare, sowie das komplexe, deutlich von King Crimson beeinflusste Instrumental "La Battalgia" von Type sofort in der Erinnerung haften bleiben. Die Grundrichtung ist generell mehr auf die 70er Jahre fixiert, so dass man neben den entsprechenden Sounds (Orgel, Mellotron), ebenso das Feeling jener Zeit transportiert. Interessanterweise wird dieses alles in allem durchaus lohnenswerte Album vom Tourismusbüro der Provinz Reggio Emilia unterstützt, während Ma.Ra.Cash Records (www.maracash.com) den Vertrieb übernommen haben. Mal abwarten, ob man von einigen, der hier vertretenen Bands, auch in Zukunft weitere interessante Musik geboten bekommt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006