CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)
Damo Suzuki's Network - Suomi
(58:52 + 69:56, Damo's Network, 2006)
Seit vielen Jahren zieht ex-Can Sänger Damo Suzuki mit immer wieder wechselnden Mitmusikern quer durch die Kontinente und experimentiert dabei mit neuen musikalischen Ausdrucksformen. Sein "Netzwerk" ist bestimmt vom steten Wandel, baut aber vor allem auf Improvisationen und rockmusikalische Grundstrukturen, sowie die Kommunikation zwischen den Musikern. Doch dazwischen ist fast alles erlaubt, fordern sich der Kosmopolit und seine Mitstreiter immer wieder aufs Neue heraus. "Suomi" enthält nun - der Name lässt es bereits erahnen - zwei Mitschnitte aus Finnland aus dem Oktober 2002, wobei die Örtlichkeiten den beiden CDs auch ihre Eigennamen gaben, nämlich Turku und Helsinki. Musikalisch geht es dieses Mal tief hinein in die Krautrock Vergangenheit, mehrfach wird der immer noch wache Geist von Can wiedererweckt. Langsame Steigerungen bestimmen auf "Turku" die ausladenden Kompositionen, die von ihrer Atmosphäre, innerer Minimalistik und sich behutsam aufbauenden Dynamik-Soundwällen getragen werden. Stilistisch bekommt man hier zudem noch eine gewaltige Ladung an Psychedelic und Space Rock um die Ohren geblasen - die Musik trägt und führt den Hörer in anderen Welten fort. Gerne wird aber auch mit elektronischen Verfremdungen, sowie Violine und Theremin gearbeitet, wobei der zuweilen recht enervierende Improvisations-"Gesang" eher als weiteres Instrument zu betrachten ist. "Helsinki" ist dagegen insgesamt grooviger, rockiger, aber auch anarchischer geraten. Vor allem das zeitweilige Hinzustossen der finnischen Band Mother Goose, verleiht den Liveimprovisationen einen weiteren Dynamikschub. Die minimalistischen Rhythmusentwicklungen bleiben zwar bestehen, doch wurde das Tempo erheblich verschärft, wirkt die ganze Herangehensweise lebendiger und ausgelassener. Gerade Bass und Gitarre greifen viel offensiver ins Geschehen ein, als noch bei den ruhigeren Klängen der ersten CD. Dennoch findet man auch auf CD 2 wieder mehr fließende, zurückgenommene Parts, wie z.B. ein ausgedehnter Violinenpart bei "The day after first snow". "Suomi" bietet damit die geballte Ladung an musikalischem Freiraumdenken, die natürlich auch vom Hörer einiges an Offenheit für solche Experimente fordert.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006