CD Kritik Progressive Newsletter Nr.56 (07/2006)
Ring - The empire of necromancers
(48:12, Poseidon / Musea, 1975/78)
Jedes Land hat so seine musikalischen Eigenheiten. Bei Prog aus Japan kommen einem unweigerlich Quietsche-Keyboards, hoher Jodelgesang und erschlagender Bombast in den Sinn. Doch gibt es auch die Ausnahmen der Regel. Gerade Mitte der 70er war die eigene Identität bei den japanischen Bands noch keineswegs so schablonenhaft ausgeprägt. Von den damals aktiven Bands orientierten sich z.B. Shingetsu ganz augenscheinlich an Genesis, Bi Kyo Ran waren komplett auf dem King Crimson Trip, während die hier vorgestellten Ring ebenfalls keineswegs japanischen Ursprung offenbaren, sondern ebenso auf die britische Insel schielten. "The empire of necromancers" ist sinfonischer Progressive Rock mit einer ganz leichten Jazz Rock Note aus den 70ern in Reinkultur. Die Aufnahmen stammen von einem Liveauftritt der Band an der University of Electro-Communications, wobei jegliche Publikumsreaktionen - sofern es überhaupt welche gab - komplett ausgeblendet wurden. In klassischer Besetzung Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboards standen vor allem mehrmals die frühen King Crimson, wie auch andere britische Bands als Vorbild Pate. Gerade von King Crimson sind es jedoch weit weniger das komplexe Material, sondern mehr die lyrischen Passagen, die man vor allem auf deren Debüt findet. Doch geben Ring in den ausgiebigen Solopassagen hin und wieder auch etwas mehr Gas, sorgt ein leicht jazz-rockiger Unterton für die rechte Würze. Trotz des sorgfältig eingesetzten Gesangs in Landessprache passt dieser sehr gut zur Musik und ist auch in der Tonlage in für europäische Hörgewohnheiten "normalem" Bereich angesiedelt. Zwar wirken mitunter einige Keyboard- und Synthesizerpassagen etwas zu drucklos, agiert die Band hin und wieder auch einfach zu schablonenhaft, doch das Gesamtresultat ist alles in allem wirklich ansprechend, überzeugt durch seine kompositorische Vielfalt und atmet vor allem jede Menge waches 70s Flair. Da das Konzeptwerk "The empire of necromancers" gerade mal knapp über eine halbe Stunde lang ist, bekommt man als Bonus noch Material vom Keyboarder Takashi Kokubo dazugepackt, welches sich schon mehr als aus Japan kommend entlarvt. Da aber die Aufnahmen von 1978 stammen, hält sich der bombastische Overkill dennoch in Grenzen. Eine interessante Reise in die Vergangenheit.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006