CD Kritik Progressive Newsletter Nr.55 (04/2006)

Roz Vitalis - Enigmarden
(71:53, Privatpressung, 2005)
Roz Vitalis - Live Autumn 05 in the Ad Lucem Studio
(43:41, Privatpressung, 2005)

Die aus St.Petersburg (Russland) stammenden Roz Vitalis legen mit "Enigmarden" ihr bereits fünftes Werk vor. Wie von den Vorgängern gewohnt ist auch dieses Album wieder voll schräger Momente, wechselnder Stimmungen und inhaltlicher Brüche. Das Ensemble mit den Musikern Klara Metelkova (Flöte, Gesang, Akkordeon), Vladimir Polyakov (Keyboards), Nedezha Regentova (Keyboards, Gesang), Ivan Rozmainsky (Keyboards, Programming, Blasinstrumente) und Yuri Verba (Klarinette) führt zwar als Einflüsse die bekannten Prog-Größen der 70er, wie z.B. Yes, ELP, King Crimson oder Gentle Giant auf, doch bevorzugt das russische Trio keineswegs die sinfonisch-bombastische Herangehensweise, sondern man gibt sich weitaus unzugänglicher und eher kammermusikalisch versponnen. Neben einigen elektronischen Sounds sorgen vor allem die verschiedenen "echten" Instrumente, sowie der verhalten eingesetzte, rein lautmalerische Gesang für eine ganz eigene Note. Mit Flöte, Klarinette bzw. Akkordeon als wechselnde Führungsinstrumente entstehen recht eigenartige Klanggebilde, die zwischen slawischer Folklore, moderner Klassik und kammermusikalischem Minimal-Rock pendeln. Die Keyboardsounds setzen oftmals auf sakrales Georgel was zudem für einen morbiden, gruseligen Unterton sorgt. Wie schon auf dem Vorgängerwerk "Das Licht der Menschen", können sich auch auf "Enigmarden" die Titel nicht einer gewissen Zufälligkeit erwehren. Nicht immer scheint es ein sofort erkennbares inhaltliches Ziel zu geben, vielmehr geht es um mystische Stimmungen und das Erzeugen von atmosphärischen Momenten, als dass hier alles nach einer durchschaubaren Logik funktioniert. Sehr eigenartig, aber auf seine Weise irgendwie interessant. Etwa zeitgleich erschien "Live Autumn 05 in the Ad Lucem Studio", welches mehr den spontanen, elektronischen Geist der Musik von Roz Vitalis wiederspiegelt. In Triobesetzung mit dem Diogenium Musiker Sydius an der elektrischen Gitarre wurden mystische und mysteriöse Songs aufgenommen - stellenweise kommen sogar Erinnerungen an Popol Vuh auf. Die überwiegend recht kurzen Titel bzw. Fragmente kommen fast gänzlich ohne Rhythmus aus, sind vor allem auf das minimalistische Spiel von Elektronik und seltsamer Atmosphäre fixiert. Mit dieser Songsammlung wird der unstete, stets nach neuen Herausforderungen suchende Geist dieses nicht gerade alltäglichen Ensembles nur noch weiter unterstrichen.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006