CD Kritik Progressive Newsletter Nr.55 (04/2006)

Roksana - Barwy (Absolutely Live)
(63:51, Wydawnictwo 21, 2005)

Das polnische Label Wydawnictwo 21 setzt bei seinem Output bewusst mehr auf Klasse, statt Masse, wie auch die stilistische Bandbreite sehr weit gefasst ist. Mit der ukrainischen Sängerin Roksana Vikaluk hat man laut Label nun "folkorientierte Musik" am Start. Doch ist deren Umsetzung ganz anders geraten, als man dies im ersten Augenblick erwarten durfte. Denn nicht schrammelnde Gitarrenakkorde gibt es hier zu hören, sondern die Sängerin begleitet sich spannend und geschmackssicher ausgewählt ausschließlich mit elektronischem Instrumentarium. So setzt die inzwischen in Polen lebende Künstlerin, die u.a. auch schon mit Józef Skrzek von SBB zusammenarbeitete, einerseits auf sphärische, ambient-artige Klangteppiche, über denen sie ihre eindringliche, in teilweise unglaubliche Höhen transzendierende Stimme am besten zur Geltung kommen lässt, wechselt aber auch geschickt zwischen Dramatik, tiefgründigen Melodieläufen, sowie sakraler Romantik. Warum das Label hier auf den Begriff Folk zurückgriff, ist ganz einfach erklärt, denn ein Großteil dieses Livekonzertes ist von traditioneller osteuropäischer Folklore mit slawischen Wurzeln bestimmt, die entsprechend elektronisch umarrangiert wurde. Roksana, deren Stimme bisweilen auch in schamanenhaften Sing-Sang abgleitet, gelingt es, sich trotz des sehr minimalistischen Ansatzes sehr intensiv und durchaus abwechslungsreich zu präsentieren. Als etwaige Vergleiche könnte man hier die ruhige Seite von Loreena McKennitt und Marie Boine anführen. Dieser Auftritt entführt den Hörer in eine ganz andere Welt, fernab von der Hektik und den Unwegsamkeiten des Alltags. World Music, die begeistert.

Kristian Selm



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