CD Kritik Progressive Newsletter Nr.55 (04/2006)

Brighteye Brison - Stories
(52:05, Progress Records, 2006)

Zu viel Musik, zu wenig Zeit. Das 2003 erschienene Debüt von Brighteye Brison ging irgendwie an mir vorbei, weswegen ich die Worte auf dem "Waschzettel" der Plattenfirma "Stories ist ein wesentlich ausgereifteres und besser produziertes Album" einfach mal so ohne Vergleichsmöglichkeit hinnehme. Die schwedische Band setzt inhaltlich und vom Instrumentarium eindeutig auf die 70er, ohne jedoch nur schablonenhaft die Vergangenheit heraufzubeschwören und leidliche Retrosounds aus dem Setzkasten zu reproduzieren. Natürlich fehlt es nicht an satten Orgel- und Mellotronklängen, flirrenden Synthieläufen, fetten Taurus Pedals oder auch elegischen Gitarrensoli, am Wechsel aus akustischen und bombastischen Passagen. Aber es sind vor allem die fließenden Melodielinien und besonders die mehrstimmigen Gesangsharmonien, die Brighteye Brison auszeichnen. Tja, und da wären wir auch schon beim kleinen subjektiven Problem zu Beginn: dem Gesang. Die Band setzt gerade beim Sologesang auf sehr eigenartige bzw. ungewöhnliche Gesangslinien, die einige Male so klingen, als ob sie gewollt danebenliegen. Andererseits kommt der mehrstimmige Gesang - mitunter ganz, ganz nahe an die Schmalzgrenze - derart perfekt abgestimmt daher, dass dies "Missklänge" vielleicht auch gewollt sind bzw. letztendlich vom eigenen Gusto abhängen. Doch soll diese subjektive Wahrnehmung nicht davon ablenken, dass das Gesamtpaket Brighteye Brison alles in allem überzeugt. Im instrumentalen Bereich sticht dabei vor allem Gitarrist Johan Öijen aus dem homogenen Bandgefüge heraus. Immer wenn er in die Saiten greift, ist es ein rechter Ohrenschmaus. Ob gefühlvoll, verspielt oder ausufernd ausholend - jedes mal trifft er genau im richtigen Moment die richtigen Töne und setzt sich mit einigen Killersoli (leider viel zu wenigen!) gekonnt in Szene. Das Hinterhältige bei "Stories" ist, dass man vor allem mit bekannten Versatzstücken aus dem Genesisfundus und AOR Harmonien bedient wird, sich aber dieses Album quasi über die Hintertür ins eigene Gefallen hineinschleicht. Erste Bedenken "ach ja, ein weiterer Klone", werden im Verlauf der CD immer mehr weggewischt und Brighteye Brison gewinnen an eigenem Profil, auch wenn noch nicht alles perfekt sitzt und passt. Vor allem die sachte Hinzunahme von Trompete, wie ein leichtes Jazzflair verleiht dem Album einen besonderen Anstrich. Wie ihre Landsmänner von Moon Safari geht es bei Brighteye Brison nicht bedeutungsschwanger und mit dem erhobenen Zeigefinger zur Sache, sondern man hat Mut zu weicheren Tönen, zur inhaltlichen Feinzeichnung. Gerade diese Leichtigkeit des Seins, wird sicherlich nicht jedermann begeistern, aber dadurch wirkt die Musik keineswegs aufgesetzt, sondern einfach locker und beschwingt eingespielt.

Kristian Selm



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