CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)

Moon Safari - A doorway to summer
(59:52, Blomljud Records, 2005)

Kennen gelernt habe ich Moon Safari über die 2005er-Fanclub-CD der Flower Kings. Neben zahlreichen Titeln aus der Feder von Roine Stolt bzw. Tomas Bodin fällt dieser Song, was die Instrumentalarbeit betrifft, auf dieser CD kaum aus dem Rahmen. Lediglich die auffällige Gesangsarbeit deutet darauf hin, dass dies wohl kein Titel der Blumenkönige ist. Und genau dieser Song bildet den Auftakt zum Debütalbum dieser ausgesprochen talentierten jungen Band aus dem hohen Norden Schwedens. "Doorway" zeigt exemplarisch, wohin die Reise bei Moon Safari geht. Die exzellente Keyboardarbeit sorgt für einen deutlichen Retro-Symphonik-Anstrich. Hier erinnert vieles an die Flower Kings, und dieser Verdacht ist ja auch begründet, denn auf diesem Song hat Tomas Bodin himself einen wesentlichen Anteil an Tastenarbeit geleistet, was der geübte Flower Kings-Hörer auch leicht heraushören kann. Und der junge Herr Akesson hat sich wohl gedacht: was der Tomas kann, kann ich auch. Und tatsächlich: er kann es wirklich. Das ist schon verblüffend souverän, was er hier alles zu bieten hat. Vielfältiger Mellotroneinsatz in allen Farbschattierungen (also Chor, Flöte, Streicher). Auch die Hammondorgel kommt immer wieder zum Einsatz, und die gefühlvolle Art und Weise, wie er manche Songs mit wunderschönen Klavierpassagen einleitet, ist bemerkenswert. Was aber als erstes bei Moon Safari hervorsticht, ist die Gesangsarbeit. Mit Sandström und Akesson gibt es gleich zwei Leadsänger, dazu kommen Westerlund und Johansson als Backgroundsänger. Ihr Konzept ist eben nicht, dass ein Solosänger allein das Sagen hat. Nein, sie arbeiten sehr häufig mit vielstimmigem Gesang - und wenn die vier Stimmen nicht reichen, gesellt sich noch ein Mellotronchor hinzu. Und das funktioniert einwandfrei, da die Stimmen gut sind und da viel Detailarbeit in die Gesangsarrangements investiert wurde. In dieser Form hört man dies im Prog-Bereich eher selten. Am ehesten erinnern mich manche dieser Gesangseinlagen an die britische Band Druid. Im sehr schönen Song "A sun of your own" klingt dies schon fast wie eine Art "Boygroup meets Prog", ohne dass dies jetzt negativ gemeint ist. An dieser Stelle bieten sie Angriffsfläche, da es für den einen oder anderen etwas weichgespült klingen mag, allerdings gehört der Frickel-Fan auch kaum zur primären Klientel, die angesprochen werden soll. Sie sind clever genug, im Anschluss an diese stellenweise eher kommerzielle Nummer einen starken Longtrack folgen zu lassen, der gerade zu Beginn sehr stark an die Flower Kings erinnert. Und die Art des Songaufbaus, wie er am Ende auf seinen Höhepunkt zusteuert, ist schon sehr routiniert. Zum Gitarristen ist zu sagen: er versucht gar nicht erst, wie ein zweiter Roine Stolt zu klingen, auch wenn es Passagen gibt, die auch von der Gitarrenarbeit her mal an die Flower Kings erinnern. Besonders auffällig ist der gehäufte Einsatz der akustischen Gitarre, die oft mehr ist als nur unauffällige Begleitung. So zeigt nicht nur die Kombination aus Piano und Akustikgitarre, dass das Zusammenspiel der Musiker hervorragend funktioniert. "A doorway to summer" ist kein Album, das ich auflege, wenn ich schräge Töne oder heftige Gitarrenriffs hören möchte. Nein, Moon Safari ist geeignet, wenn man in der Stimmung für melodiösen Symphonik-Rock ist, der eine gewisse wohlige Wärme ausstrahlt. Ich bin sicher, die jungen Schweden haben eben auch schräge oder heavy Parts drauf, wenn sie nur wollen. Und ich glaube, dass sie nicht den Fehler begehen werden, auf zukünftigen Alben zu weichgespült daherzukommen, vielleicht werden dann auch einige Ecken und Kanten zu Tage kommen. So könnte zum Beispiel ein Schuss Aggressivität an der Saitenfront durchaus nicht schaden. Dieses Debütalbum gefällt mir jedenfalls ausgezeichnet, und von diesen Jungs erwarte ich für die Zukunft ausgesprochen viel. Ich kann mir vorstellen, dass ein Herr Bodin möglicherweise auch ein Auge auf die weitere Entwicklung dieser Band hat. Um den Prog-Nachwuchs in Schweden muss man sich wahrlich keine Sorgen machen. Da wächst etwas heran! Für mich eindeutig da schönste Album des Jahres 2005.

Jürgen Meurer



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