CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)
Molca - Super Ethnic Flavor
(65:00, Poseidon / Musea, 2004)
Haben Aliens (oder Götter) (oder was auch immer) die japanische Insel mit besonderem Kunstsinn ausgestattet? Mit einzigartiger Leidenschaft und dem sensibelsten Einfühlungsvermögen in alle Kulturen der Welt? Warum nur sind es immer wieder Bands aus Nippon, die mit außergewöhnlicher, überdurchschnittlicher Musik aufwarten und dabei so tun, als müsste das so sein? Nun gut, Deutschland ist kein Land der Kultur, sondern ein Jammertal, das auf den verführenden Mammon fixiert ist, wie das Kaninchen auf die Schlange. Aber ihr germanischen Mädels und Jungs an den rostenden Instrumenten, ist euch der innere Drang abhanden gekommen? Lust verloren? Nie gehabt? Dann hört euch nur Molca an. Die rasen mit Mordsgeschwindigkeit durch alle Folkloren der Welt, dass es eine Freude ist. Dabei sind sie originell und treffsicher und gehen ehrfurchtsvoll mit den originalen Vorbildern um und sind jede Sekunde selbstbewusst und forsch dabei! (Viermal "und" in einem Satz, ist das noch Grammatik?) Es scheinen 5 Musiker zu sein, im Booklet stehen viele Namen und japanische Hieroglyphen, viel mehr Instrumente sind aufgelistet, das Gros davon ausgefallen und den Jahrhunderten aller Arten menschlicher (vor allem europäischer und asiatischer) Kulturen zu danken: schwedische Whistle, Erhu, griechische Bouzouki, irische Bouzouki, Laouta, Rewep Soprano, Resonator Gitarre, Oud, Charango, Puerto Rico Cuatro, Gypsy Gitarre, türkische Banjomandoline, chinesische Taisyo Koto - das geht noch eine Weile so weiter. Öde, könnte man denken. Schon wieder so eine Truppe, die abgeklärten Schönklang unter die Leute staubt! Tja, fehl gedacht! Das ist allerfeinste Musik mit Schmackes und Lust auf das Unberechenbare. Sicher, alles ist komponiert und konzeptionell strukturiert, es gibt keine Zufälle, Improvisationen oder ähnliches, aber wie die das hinkriegen, diese erregend laszive, fast schon erotisch vibrierende und überbordend wunderschöne Musik in die Ohren zu tunken, dass man versinken möchte und nie mehr daraus erwachen Molca fügen ihre Songs schamlos ineinander, wie wollüstig nackte Leiber zwischen weichen Tüchern, ja, genau so erstaunlich, wie sie die fremde Folklore mit leidenschaftlichem Spiel füllen und die kulturell fremden Instrumente mit Inbrunst und Virtuosität zum Wohlklang bringen. Da kann man zum Folkfan werden. Dynamik und Humor, Hingabe und Lust am Musizieren finden hier einen hinreißenden Ausdruck. Wir schliddern durch die Weltgeschichte und die gute Unterhaltung schliddert mit. Europa und Asien sind die favorisierten Gebiete, in denen die Songs (oder sind es nur Andeutungen von Songs, die Molca selbst ganz neu verkomponierte?) geklaut wurden. Etliches in dieser Art ist schon viel schlechter zu Gehör gebracht worden. Allein, eine Macke hat dieses Album, eine unschöne Sache, die wirklich nicht sein müsste und auf Dauer einen hässlichen Unton mit sich bringt: einer der fünf bedient hin und wieder, eigentlich recht oft, gar immer fast (komm zur Sache!) so ein Rhythmusdingsbums, das ziemlich schlicht unter den Songs hämmert und die Lyrik anknackst. Muss nicht sein, kann man aber überhören. Ich bin mit den simplen Rhythmen auf stetem Kriegsfuß, andere nehmen das wohl leichter. Lasst Euch deswegen nur nicht die Lust auf diese Musik entgehen, die 12 Songs machen Laune und mehr. Schöne Musik, seufz!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2006