CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)
Mikromidas - Faunus
(49:33, Musea, 2005)
Mikromidas aus Norwegen zelebrieren auf ihrem zweiten Album "Faunus" besten Retroprog typisch skandinavischer Prägung. Geschmackvolle Bombastparts stehen in Einklang mit pittoresken Folkelementen und dem unvermeidlichen Mellotronreigen. Die Nordländer verbinden bereits im Opener "Den dagen jeg forsvant" die nordländische Retroherrlichkeit mit einer majestätisch-euphorischen Melodieführung, die phasenweise auch in Richtung der typisch skandinavischen Schwermut tendiert. Das Mellotron strickt hier nicht unbedingt immer nur melancholisch aufkeimende Klangflächen, sondern sorgt zusammen mit der rockigen Gitarre und dem dynamischen Hammondspiel für eine beschwingte, enthusiastische Komponente. Auch der kompakt gehaltene Nachfolgesong "Virveldans" beweist, dass die norwegische Schwermut auch gerne mal in Richtung entspannter Leichtfüßigkeit tendieren kann. Die fast schon fröhliche Grundmelodie erfährt hier aber behutsam eine atmosphärisch-getragene Einfärbung. Auch im weiteren Verlauf verstehen es Mikromidas, aus einem auch mal kraftvoll rockenden Songgerüst geschickt anmutig-pastorale Sequenzen hervorzubringen. Stets übernimmt dann das Mellotron diese gezielt positionierten Schlenker in getragene Gefilde. Die Mixtur aus verschroben-skandinavischen Retroklängen, sattem Rocksound und pompösem Symphonic Rock ist vortrefflich gelungen. Solch eine intensive Nummer wie "Sultekunstneren" ist ein weiters Beispiel für das kompositorische Geschick von Mikromidas. Das Mellotron von Tastenmann Øystein Larsen fleht leidenschaftsvoll vor sich hin, die Gitarre des Lead-Gitarristen Halvard Jakobsen rockt majestätisch dynamisch und die authentischen Orgelklänge wirbeln mit den sechs Saiten um die Wette. Der Lead-Gesang des zweiten Saitenmanns Ståle Roar Leirtro klingt zwar anfangs nicht unbedingt erbaulich, passt aber in seiner kraftvoll-pathetischen Unbekümmertheit zu den dargebotenen Kompositionen. Mit dem Abschluss "Krigsmann" ist man aber doch auf dem Terrain der retrosymphonischen Beschaulichkeit und düsteren Eindringlichkeit angelangt. Ingesamt liegt hier ein wirklich hörenswertes Retroprogalbum vor.
Horst Straske
© Progressive Newsletter 2006