CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)
The Mars Volta - Scabdates
(72:49, Universal, 2005)
Das Konzept von The Mars Volta funktioniert nach einer ganz eigenen Logik und dies auch noch kommerziell erstaunlich erfolgreich. Da wird weder Rücksicht auf den Massengeschmack genommen, noch werden etwaige Publikumserwartungen befriedigt. Die Herren Omar A.Rodriguez-Lopez und Cedric Bixler-Zavala ziehen einfach konsequent ihr ganz eigenes "Ding" durch, füllen aber dennoch die mittelgroßen Hallen und sind zudem noch bei einem Majorlabel unter Vertrag. So handelt es sich bei "Scabdates" zwar in erster Linie um ein Livealbum, doch auch hier ging man ganz eigene Wege. Die Idee, verschiedenste Titel recht unkonventionell neu zu verarbeiten und zu vermischen, ist zwar nicht so ganz neu, da dieses Vorgehen bereits von Frank Zappa in den 70ern perfektioniert wurde, doch passt es irgendwie auch ins Bild, dass sich The Mars Volta gewollt oder ungewollt auf die Vergangenheit beziehen. Die Band kümmert sich weder um die Kommunikation mit dem Publikum, noch kommt über weite Strecken der Eindruck eines echten Livealbums auf, da die Zuschauerreaktionen nur sehr marginal im Hintergrund zu vernehmen sind. Vielmehr handelt es sich bei "Scabdates" um einen riesigen Songmonolithen, der in völliger künstlerischer Freiheit einfach die verschiedensten Titel neu zusammenbaut, wobei die Übergänge komplett fließend sind. Die Hälfte der Titel ist auf keinem der bisherigen Mars Volta Alben vertreten, vielmehr wird hier mit roher und ungebündelter Energie gnadenlos losgejammt und spontan herumexperimentiert, dass es nur so kracht. Sofern man sich in dieses ausgedehnte Klangspektakel hereinziehen lässt, belohnen einen Mars Volta mit einigen wirklich genialen Einfällen, in den weniger inspirierten Parts artet es aber auch ganz einfach in zielloses, recht zähes Herumgedudel aus. Um die Kraft der Aufnahmen einzufangen, wurde ebenfalls klanglich nur wenig verändert bzw. verschönert, was sich teilweise in einem undifferenzierten Mix niederschlägt, bei dem nicht immer alle Instrumente und vor allem der Gesang gleichberechtigt aufeinander abgestimmt sind. Einen weiteren Wermutstropfen gibt es zudem noch zu vermelden: ganz zum Schluss gibt es noch eine rund 20-minütige Soundcollage, die man eher als eigenwilligen Bonus sehen sollte, womit die Liveaufnahmen eigentlich nur auf eine Länge von 50 Minuten kommen. Dennoch dokumentiert "Scabdates" über weite Strecken in beeindruckender Weise, welches Feuerwerk die Band mit ihren Versatzstücken aus Alternative Rock, Psychedelic, Avantgarde, Progressive Rock und weiß der Geier noch was auf der Bühne abbrennt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006