CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)

Niacin - Organik
(61:47, Magna Carta, 2005)

John Novello gräbt mit jeder neuen Veröffentlichung des Trioprojektes Niacin tiefer ins konzentrierte, flüssige Mark der B-3 Hammond Möglichkeiten. Leidenschaft und Virtuosität haben Billy Sheehan (b), Dennis Chambers (dr) und Novello (B-3, p, Rhodes) bereits auf 5 CDs bewiesen. Vor allem seit dem explosiven Live-Werk "Blood, sweat & beers" ist das Arbeiten der Truppe von stets intensiverer und hingebungsvoller Leidenschaft. "Organik", die 6. Produktion Niacins, lässt vermuten, dass die drei erwachsenen Musiker nicht cool und lässig interpretierten, sondern beim Einspielen der Songs in trancegleiche Verzückung gerieten, versunken in die vitalen Harmonien. Das Resultat vermittelt eben dieses Gefühl. Jede neue Veröffentlichung hat Entwicklung gezeigt. Das harmonische Gefüge wurde von CD zu CD komplexer, die Einspielung klang wilder und kräftiger zugleich. An vielen Stellen in den 13 instrumentalen Songs scheint die Energie der Stücke kurz vor dem Explodieren zu stehen, bekommen die emotionalen Werte der Tracks höchste Ausschlagpunkte. Das beginnt mit dem scharfen Opener "Barbarian @ the Gate", ist zum Ende des Geschwindigkeitsrausches "Blisterine" zu hören und setzt sich in der Bassspur des Zappa-Covers "King Kong" fort. Niacin gehen mit "Organik" etwas vom Jazz weg und begründen ihre instrumentalen Ausschweifungen in den komponierten Parts der Songs in klassischen Prog Strukturen. John Novello gibt als Einflüsse King Crimson, PFM, Gentle Giant, alte Genesis und Emerson, Lake & Palmer an. Zum Soundcheck spielte das Trio Grand Funk oder Led Zeppelin, um warm gespielt in kompliziertere Gefilde mit hinreißend verzwickten Harmoniekanten und -brüchen vorzustoßen. Alles auf "Organik" drängt darauf, mehr Noten, schneller und virtuoser zu spielen und die erregend heftige Natur der Songs leidenschaftlicher und intensiver klingen zu lassen. Dass Niacin dazu fähig sind, war bereits vorher klar. Sie haben ihren eigenen Klang, und den haben sie noch einmal erweitert. Auf den ersten CDs des Trios gab es hin und wieder typische, allgemeine B-3 Strukturen zu hören, auch damals bereits technisch versiert und emotional tief schürfend interpretiert. Einige der ersten Songs waren etwas fad und klingen gerade im Vergleich zu dem neuen Material sehr viel schlichter und trockener. Niacin haben eine enorme Entwicklung genommen. Hauptakteur der Band ist sicherlich John Novello, der nicht ganz nebenbei Gitarre und Gesang ersetzt. Doch sind Dennis Chambers und Billy Sheehan keineswegs Statisten, beide haben allen Raum, sich stark auszubreiten und alle Energie in die Stücke zu packen, was sie mit Schmackes tun. Keiner der drei Musiker arbeitet in einem weiteren Projekt, das auch nur annähernd so vital und extravagant daherkommt. Vielleicht ist der Ausbruch der Energie auf "Organik", der Titel lässt den Gedanken auch in der Band vermuten, besser und kraftvoller gelungen als je zuvor, und stets fuhr die Band mit hohen Drehzahlen. Die Anker Jazz, Rock und Prog halten die Kapelle gleichwertig fest und lassen ihre Einflüsse in den aussagekräftigen Ideen des Trios kraftvoll aufgehen. Toll, dass nach dem KC Cover "Red" (auf "Time crunch") nun Frank Zappa mit "King Kong" Tribut gezollt wird. Was nur soll aus Steigerung die Verneigung Niacins zum Ausdruck bringen? Rundum Empfehlung.

Volkmar Mantei



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