CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)

Wobbler - Hinterland
(56:52, The Laser's Edge, 2005)

Bereits seit 2004 geisterte der Namen Wobbler durchs Internet. Noch bevor das erste Album veröffentlicht war, erlangte die norwegische Band den leicht aufgebauschten Ruf als legitime Nachfolger von Änglagård. Einige vielversprechende Demos, die man auf der Website herunterladen konnte, machten schon mal Hunger auf mehr. Doch dann trat die Band auf der 2004er Ausgabe des Freakshow Festivals in Würzburg auf und hinterließ mit ihrem angetagten, verstaubten Mix aus Hard Rock und psychedelisch angehauchtem Prog einen nicht gerade glücklichen, eher mittelmäßigen Eindruck. Der aufgeblasene Hype schien zu platzen, die bereits aufgebaute Erwartungshaltung wurde sehr radikal relativiert. Nun liegt mit "Hinterland" endlich der erste Longplayer der Trolle aus dem hohen Norden vor und die Überraschung ist gelungen: die Band hat sich wieder gewandelt und es gelingt ihr über weite Strecken wirklich überzeugend, ihre Version von Retro Prog aufleben zu lassen. Zwar wandeln Wobbler nahe am Rande des etwas übertriebenen, zur Karikatur verkommenen Anachronismus, denn nicht nur die Musiker sehen aus wie frisch aus den 70ern transportiert, auch beim Instrumentarium wurde konsequent original auf alles zurückgegriffen, was vor mehr als 30 Jahren seine Hochphase hatte. Vor allem Bandleader und Keyboarder Lars Fredrik Frøislie fährt ein gewaltiges Tastenarsenal auf, mit allem, was der Liebhaber der Tastenklänge der 70er so hören möchte. Die Auflistung der ganzen Gerätschaften, von Mellotron, Hammond, Minimoog bis hin zu Wurlitzer und Rhodes Piano, nimmt mal gleich über die Hälfte einer ganzen Seite im Booklet ein. Na ja, man kann es eben auch übertreiben. Doch nicht nur die Sounds und das Aussehen sind vollständig rückwärtsgerichtet, logischerweise geht es natürlich auch musikalisch in die gleichen Gefilde. Da fehlt es weder an epischen Longtracks - der Titelsong bringt es da gleich mal auf knapp 28 Minuten - auch die Kompositions- und Arrangeurtechnik ist komplett in der Vergangenheit verwurzelt, so dass wechselweise Erinnerungen an die großen Namen aus den 70ern geweckt werden, man dabei einen munteren Kreuzzug quer durch die britische, nordische, aber auch italienische Szene unternimmt. Neben der erschlagenden Tastenbreitseite treten zwar Gitarre, Flöte, knarzender Bass und knochentrockenes Schlagzeug etwas in den Hintergrund, dennoch ist "Hinterland" bei weitem kein reines Keyboardalbum. Dynamisch wird hier zwischen lyrischen und expressiven Passagen gewandert, wechseln sich hier epische mit intimen Momenten ab und setzen sich logischerweise die verschiedenen Tastenklänge zwar sehr oft solistisch, wenn auch nicht zu übertrieben in Szene. Doch der kleine Pferdefuss dieses Albums ist die inhaltliche Ausgewogenheit. Hin und wieder hat man einfach den Eindruck, dass die Band lediglich verschiedenste Passagen aneinander klebt, da so etwas wie ein roter Faden mitunter verloren geht. In die Einzelteile zerlegt entsteht dabei durchaus ein überzeugender Eindruck, entstehen mehrere geniale Momente, in der Gesamtheit hinterlassen die Titel nicht immer einen ganz homogenen, logisch aufeinander aufgebauten Eindruck. Nichtsdestotrotz bietet "Hinterland" eigentlich alles, was man von typischem Retro Prog erwarten darf, auch wenn die Dosis hin und wieder etwas übertrieben auf Nostalgie getrimmt wirkt. Wer's konsequent "alt" mag, liegt bei diesem Album auf jeden Fall richtig, das gerade den Mehrfacheinsatz schadlos übersteht und an Format gewinnt.

Kristian Selm



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