CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)
Walrus - In the room of a singular point
(31:14, ADDA, 2003)
Walrus - Colloidal
(51:08, ADDA, 2005)
Wirklich sehr nett, dass bei diesen beiden Scheiben einen die japanische Promotionfirma auch noch einige englische Sätze hat zukommen lassen, denn außer mysteriöser Schriftzeichen aus dem ganz fernen Osten, ist hier für einen des Japanischen nicht Mächtigen, aber auch rein gar nichts zu erkennen. Das rund 30-minütige Minialbum "In the room of a singular point" beginnt so, wie man dies angesichts des einzigen Bildes im Booklet, nämlich ein grell geschminkter und mit Flügeln maskierter Sänger, erwarten durfte: hier wandelt man auf den Spuren von Genesis. Doch schon nach wenigen Minuten erfolgt die Ernüchterung, denn die euphorische Selbsteinschätzung des Vertriebs entspricht leider nur zum Teil den eigenen Empfindungen. Hier ist die Musik weder mysteriös, noch zerbrechlich. Das einzige, was hier zerbricht, sind die eigenen Nerven, denn mit andauernder Laufzeit lotet der asiatische Gesang mal wieder die eigene Toleranzgrenze erheblich aus. Auch die ordentliche, wenn auch keineswegs begeisternde Musik kann da nur zum Teil Abhilfe bieten. Denn nachdem der Opener noch im Progressive Rock anzusiedeln ist, wildern Walrus anschließend mal im Hard Rock, schrecken auch nicht vor süßlichen Balladen zurück. Doch trotz gelegentlicher Mellotronakkorde und der eigenen, teilweisen Begeisterung für japanische Musik, geht hier einfach zu viel daneben, als dass man dies kritiklos überhören könnte. Und dann noch dieser "ich-versuche-mal-immer-etwas-daneben-zu-singen" Gesang, ne, das ist zu viel! Auf "Colloidal", dem ersten Longplayer von Walrus, ist zwar auch noch einiges im Argen, doch insgesamt wirkt die Band konsequenter, in sich geschlossener und in ihrer stilistischen Vielfalt austarierter. Der Gesang ist zum Großteil immer noch eine Beleidigung für westliche Ohren, die Musik kommt auch nicht umhin, nicht immer gerade spektakulär zu klingen. Doch vielleicht steckt dahinter nur humorige Absicht und ich Betonkopf habe dies nur nicht durchschaut. Wie dem au sei, der mal schrammelnde, mal Melodie-süchtige Alternative / Pseudo-Prog / Normal Rock von Walrus lässt in einigen Momenten erahnen, zu welch filigraner und atmosphärisch dichter Musik diese Formation fähig ist, doch anscheinend mag sie es eben etwas unbestimmt und inhaltlich gewollt daneben. Jedem, wie es ihm eben gefällt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006