CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)
Roine Stolt - Wall Street Voodoo
(61:37 + 53:22, InsideOut, 2005)
War man in den vergangenen Jahren jede Menge Alben aus dem Flower Kings Umfeld bzw. ebenfalls von der Band selbst gewohnt, so blieb es im Jahr 2005 relativ ruhig bei den Mannen um Roine Stolt. Nun ja, relativ ist im wahrsten Sinne des Wortes relativ, denn mit einem neuen Kaipa Album, Tomas Bodins Solowerk "I A M", sowie den kurzen Touren des Instrumentalquartetts Circus Brimstone, sowie The Tangent, war die Mannschaft der Blumenkönige mehr als nur auf Sparflamme aktiv. Schon seit einiger Zeit angekündigt, entschloss sich Roine Stolt, nach über siebenjähriger Pause seit dem reinen Instrumentalalbum "Hydrophonia", mal wieder auf Solopfaden zu wandeln. Als Begleitmusiker holte er sich die ebenfalls bei den Flower Kings aktiven Schlagzeuger / Percussionisten Marcus Liliequist und Hasse Bruniusson ins Studio, als Gegenleistung zu Stolts Beiträgen auf dem aktuellen Neal Morse Output "?", steuerte dieser etwas Gesang und Orgel bei. Die großen Unbekannten bleiben aber Gonzo Geffen, Slim Pothead und Victor Woof, die aus vertragsrechtlichen Gründen ihre wahren Namen leider nicht preisgeben dürfen und über deren wahre Identität schon nach kurzer Zeit in der Fangemeinde ein lustiges Rätselraten entbrannte. Doch vielmehr als mit seinen anscheinend wohlbekannten Begleitern aus anderen Genres, überraschte Stolt mit der Ankündigung, dass er ein Bluesrock Album mit deutlichen Reminiszenzen an die 60er und 70er einspielen wolle. Einerseits logisch, mal was ganz anderes zu machen als bei den Flower Kings, denn warum macht es denn sonst Sinn, ein Soloalbum unter dem eigenem Namen einzuspielen? Doch teilweise Entwarnung, gänzlich nur im reinen Bluesschema verharrend ist "Wall Street Voodoo" nun doch nicht ausgefallen, auch wenn die sinfonischen Einflüsse wesentlich zurückgeschraubt wurden und viel mehr die Gitarre und wuchtiger Rhythmus das Sagen haben. In erster Linie handelt es sich bei diesem Doppelalbum um eine umfangreiche Sammlung von mal kürzeren, mal längeren Rocksongs, die durch solistische und improvisatorische Ausschmückungen aufgelockert werden. Doch auch Schlenker zu leicht psychedelischem End 60s Flair mit Beatles Touch, sowie natürlich dem Progressive Rock und eine Prise traditioneller Hard Rock finden sich hier. "Wall Street Voodoo" ist vor allem ein Gitarrenalbum, die Strukturen wirken weitaus erdiger und bodenständiger, als man dies vom teilweisen Bombast und manches mal zu konstruiert wirkenden Arrangements seiner momentanen Stammband kennt. Mit "Sex kills" befindet sich zudem einr interessante Coverversion eines Joni Mitchell Titels auf diesem Doppelpack, welche den typischen Roine Stolt Touch verpasst bekommt. Doch gibt es auch zwei kleinere Makel bei diesem Doppelalbum, die für einen zwiespältigen Eindruck sorgen. Bei einer Spielzeit von etwas weniger als 2 Stunden kann logischerweise nicht auf ganzer Strecke gleichbleibendes Niveau abgeliefert werden. Sicherlich ist es für den Fan schön, immer wieder mit jeder Menge neuer Musik überrascht zu werden, doch vielleicht setzt sich beim schwedischen Allround-Talent doch noch mal die Besinnung durch, nicht jede Idee auf Album bannen zu müssen, sich einfach mal etwas zurückzunehmen und nicht jeden Song, sondern nur die Highlights aus dem zur Verfügung stehenden Material zu veröffentlichen. Weiterhin wagt sich Stolt nach meinem Dafürhalten einfach nicht weit genug in die Rock- und Bluestraditionen hinein, vermisst man dreckige, "ehrliche" Sounds, eine wesentlich lässigere und lockerere Herangehensweise. Irgendwie erweckt das Album hin und wieder den Eindruck von "Designer" Rock / Blues, wirkt einfach alles zu perfekt, zu arg auf Hochglanz poliert. Doch immer dann, wenn in den Instrumentalpassagen Freiraum für die Musiker besteht, beginnt das Album zu atmen, strömt auf einmal echtes "Feeling" durch die Musik. Was Stolt an anderen, zu ihm wesentlich besser passende Stilen drauf hat, kann man vor allem auf der aktuellen CD des Flower Kings Fanclubs hören, wo er sich ganz frei im Fusion Bereich zwischen allen möglichen Stilen und vor allem spielerisch vollkommen unverkrampft und ungezwungen bewegt. So ist "Wall Street Voodoo" einerseits ein typisches Album mit den Trademarks und dem Qualitätsanspruch von Roine Stolt, andererseits setzt er hier ganz andere, mitunter äußerst interessante Schwerpunkte, sorgt vor allem der mehr rifforientierte, bluesige Stil für neue Ansätze und hebt sich somit doch vom sonstigen Material des Schweden ab. Sicherlich kein Album für alle Flower Kings Fan, eine weitere interessante Facette der musikalischen Rückbesinnung aber auf jeden Fall.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006