CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)
Sleepwalker Sun - Sleepwalker Sun
(60:25, Masque Records, 2005)
Tja, so schnell steckt man als Schreiberling im Dilemma. Da startet mit Masque Records ein neues Proglabel und mit Sleepwalker Sun hat man auch gleich einen hoffnungsvollen Newcomer am Start. Hinzu kommt noch der Exotenbonus, denn sowohl Label, als auch Band sind in Brasilien ansässig, mit jeder Menge Gastmusikern und -textern aus der brasilianischen Szene, u.a. Geiger Marcus Viana (Sagrado), wurde weiterhin einiges an namhafter Unterstützung aufgefahren. Dazu noch ein geschmackvoll gestaltetes Layout in warmen, leicht vergilbten Brauntönen, da sollte man doch auch schließlich als Rezensent begeistert sein, oder?! Die Einleitung lässt es erahnen, dem ist leider nicht so und das ist natürlich doppelt schade, denn einerseits möchte man natürlich keineswegs einem Newcomer gleich Steine in den Weg legen, andererseits ist es gerade in Südamerika nicht unbedingt ein leichtes Unterfangen, solch eine Produktion auf die Beine zu stellen. Lange Vorrede, endlich zu den musikalischen Fakten: Sleepwalker Sun haben sich einer modernen Interpretation des Progressive Rocks verschrieben, ohne den Blick in die Vergangenheit zu vergessen. Stilistisch bedeutet dies ein Mix aus 70s Progressive Rock, lyrischen Passagen, aber auch prog-metallischen Riffs aus der Neuzeit und Hard Rock Vergangenheit. Die Band hat sich hörbar Mühe gegeben, nicht in die üblichen Klischees zu verfallen und jede Menge Ideen in ihre Kompositionen verpackt, die sich fast allesamt jenseits der 7-Minuten Grenze bewegen, der Opener "Blindfold" bringt es auch mal auf knapp 14½ Minuten. Jede Menge Zeit also, um den musikalischen Freiraum auszuleben. Doch wollen leider nicht alle Übergänge so recht funktionieren, holpert es an manchen Stellen ganz gewaltig im Gebälk. Auch erreichen die Arrangements nicht gleichbleibendes Niveau. So stehen auf der einen Seite wirklich packende Momente, wie z.B. der gefühlvoll-metallische und mit Violinenpassagen von Marcus Viana versehene Opener "Blindfold", der auch einiges an Komplexität auffährt. Oder der Beginn von "Russian roulette", welches mit Mellotronakkorden startet, danach eher prog-metallisch und sinfonisch brettert. Auf der anderen Seite verfallen dann leider Songs wie z.B. einige Passagen des Titeltracks auf ambitioniertes, aber noch zu unausgewogenes Niveau. Auch sorgt Sängerin Giana Arújo nicht nur für Wohlklang, da sie manches mal sehr eigenartige Gesangslinien bevorzugt. So ist man hin- und hergerissen zwischen interessanten Passagen, aber auch leidlich Erträglichem. Mit den ganzen weiter oben beschrieben Fakten im Hinterkopf, bekommt diese Zerrissenheit noch weiteren Nährboden. Deswegen bleibt die Hoffnung, dass sich sowohl Label als auch Band nicht entmutigen lassen, denn wenn der Inhalt auch mit der optischen und inhaltlich ambitionierten Qualität dieser Veröffentlichung einher geht, kann hier zukünftig durchaus etwas Interessantes entstehen. Für den eigenen Eindruck stehen übrigens Soundbeispiele bereit, solange: Kopf hoch und Grüße nach Brasilien: das wird schon!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006