CD Kritik Progressive Newsletter Nr.53 (09/2005)

Tantra - Delirium
(48:59, Privatpressung, 2005)

Für lange Zeit galten Tantra als der einzig nennenswerte Progressive Rock Vertreter aus Portugal. Ende der 70er veröffentlichten sie mit "Misterios e maravilhas" und "Holocausto" zwei ansprechende Alben mit Exotenbonus, etwas später ging man jedoch getrennte Wege. Anfang des aktuellen Millenniums folgte die überraschende Reformierung mit neuer Mannschaft, wobei lediglich Gitarrist / Sänger Manuel Cardoso von der Originalbesetzung übrig blieb. Das Comebackalbum "Terra" folgte vor rund zwei Jahren, wobei schon damals klar war, dass die Rückkehr keine Eintagsfliege bleiben sollte. So liegt mit "Delirium" mittlerweile das zweite Album der "next generation" von Tantra vor, mit Gastmusiker Pedro Luis Neves grub man immerhin ein weiteres Originalmitglied der "Holocausto" Besetzung aus. "Delirium" versetzt zwar den Hörer nicht gleich in selbigen Zustand, dennoch sind Tantra dieses mal durchaus eine Spur experimenteller vorgegangen, bekommt man neben dem bekannten sinfonischen Einschlag in den vielen Instrumentalpassagen weit weniger zugängliches, aber spannend arrangiertes Material präsentiert. Gesang spielt dabei nur eine sehr untergeordnete Rolle, was jedoch aufgrund der eher fragwürdigen Gesangsleistung des Bandleaders nicht weiter schlimm ist. Dafür ist die Gitarrenarbeit von Cardoso weit beeindruckender, der zusammen mit Keyboarder Guilherme la Luz das musikalische Rückgrat von Tantra bildet. Fast schon ätherischer Bombast wird durch Akustikparts, aber auch flirrende Gitarrenausflüge mit leichtem Jazz Rock Touch angereichert, neben voluminösen Klängen ist genauso Raum für entspannte Ruhe. Tantra vertrauen dieses mal nicht mehr nur ausschließlich auf Schönklang, die Musik weist ebenso sprunghafte Ecken und Kanten auf, erscheint aber dadurch wesentlich spannender und vielschichtiger. Hin und wieder entsteht dabei aber auch der Eindruck einer willkürlichen Sprunghaftigkeit. Die Song hören manches mal völlig abrupt auf, ohne dass man jetzt den Eindruck hat, es handele sich um einen "richtigen" Schluss. Wenn sich jedoch die Gitarre in weinerliche Höhen schraubt oder zu unwiderstehlichen Sololäufen aufbricht, dann ist alles wieder gut. "Delirium" geht somit als ordentliche bis gute Empfehlung für Anhänger des weitgehend instrumentalen Retro Progs durch.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2005