CD Kritik Progressive Newsletter Nr.53 (09/2005)

Pablo Sangineto - Constelaciones
(46:16, Union, 2005)

"Constelaciones" ist ein leises, melancholisches Piano-Solo-Album voll mit romantischen, sehnsüchtigen, farbenfroh dunklen Motiven. Die 12 Tracks haben keine Namen, sind nur in einzeln anwählbare Parts eingeteilt. Und wirklich gibt es einen Zusammenhang zwischen den Stücken; melodisch, harmonisch, thematisch sind sie eine Einheit. Komposition und Anschlag sind (auch) für europäische Ohren sehr interessant. Die reichhaltige melodische Struktur ist in Europa so nicht zu finden, weder in der Klassik noch im Symphonic Rock. Und schon gar nicht dieser lässige und doch energische Anschlag, dieser emotionale Aufbau der Themen. Der junge argentinische Komponist und Pianist Pablo Sangineto hat Parte I bis XII von Oktober bis November 2004 in Boston, USA, eingespielt. Fast sämtliche Stücke sind Solo-Songs, lediglich in Parte VI und VII ist das warme, forsche, lyrisch weiche Flötenspiel von Rodrigo Socolsky zu hören. "Constelaciones" ist ein typisch südamerikanisches Werk. Sehr emotional, dennoch etwas kühl, tief lyrisch und romantisch, kann es forsch voranstürmen und weit verebben. Da gibt es Parallelen zu südamerikanischer Neuer Musik, Symphonic Rock und Jazz. Am ehesten trifft der Vergleich zu südamerikanischer klassischer Musik; die reichhaltigen, kitsch- und klischeefreien Harmonien und dynamisch kräftigen Melodien sprechen dafür. Auffälligstes Stück ist "Parte XI", das plötzlich aus der Harmonie ausbricht und ein überaus kompliziertes, rhythmisch vertracktes und "schräges" Motiv mit kräftigem Anschlag zeigt. Als würde Pablo Sangineto Gentle Giant ein Denkmal setzen! "Constelaciones" ist kein typisches Solo-Werk eines Keyboarders aus der Rockmusik. Die üblichen Peinlichkeiten sind hier nicht zu finden, die Hörerfahrung ist einfach wunderbar. Ein besinnliches Werk, das längst nicht esoterisch ist; diese Ruhe ist kein verwässertes New Age Geplätscher, sondern Ausdruck eines begabten und studierten Komponisten und Pianisten. Nur keine Scheu davor, hört rein!

Volkmar Mantei



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