CD Kritik Progressive Newsletter Nr.53 (09/2005)

Rain - Cerulean Blue
(56:54, Telos Music, 2005)

Ich habe mich in dieses Album verliebt, ehrlich. Das macht es nicht einfacher, es zu besprechen - im Gegenteil. Seitdem ich das Album in meinem Briefkasten vorfand und zum ersten Mal in den Player legte, höre ich es ununterbrochen. Es ist fast so wie einst, als der Geldbeutel sehr knapp bemessen war und die CDs (vielmehr die LPs) nicht dutzendweise in die Sammlung flatterten. Die Sammlung wurde peu à peu aufgebaut und jedes Album war ausgesucht, ein ganz besonderes Kleinod, an dem man monatelang neue, aufregende Details entdecken konnte, in dessen Welt man immer wieder eintauchte. Aber es ist nicht das Wiedererwachen der Gefühle meiner musikalischen Jugend für die Musik, es ist das Album selbst, "Cerulean Blue", das solch ein hinreißend altmodisches Album ist, das mich dazu verleitet zu hat, auf meine alten Tage noch einmal völlig unreif für ein Album zu schwärmen. Das betörend schöne und poetische Debüt dieses englischen Studioprojekts um den Multiinstrumentalisten "Rain" wurde zurecht mit vielen Vorschusslorbeeren (u.a. aus dem direkten Genesis-Umfeld) bedacht: Die vertonte Geschichte einer wundersamen Reise durch Amerika zwischen grausamer Realität, Traum und Wahnsinn gehört zu den bezauberndsten Scheiben, die ich in den letzten Jahren gehört habe. Musik, Poesie und Gesang, Dinge, auf die ich besonderen Wert lege, sind hier besonders gut gelungen. Gerade die im Prog oft vernachlässigte (und zu vernachlässigende) Lyrics-Komponente wurde hier mit besonderer Sorgfalt gestalten. Doch "Cerulean Blue" bietet noch mehr: Die Arrangements, die Chöre und Kompositionen mit ihren kammermusikalischen Referenzen sind einfach schön, so schön, dass sie mich regelrecht berauschen, mich mitnehmen auf dieses 'musikalische Roadmovie'. Wer keinen Sinn für poetische Melodien (sic!) hat, den wird solch ein Album nicht berühren, allen anderen sei das Album wärmstens empfohlen. Würde es heute noch einen Massenmarkt für solche Musik geben, dann wären Rain meine diesjährigen Kandidaten für das next big thing, doch auch innerhalb der Nische wird man von diesem Projekt in Zukunft hören.

Sal Pichireddu



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