CD Kritik Progressive Newsletter Nr.53 (09/2005)

Nil - Nil Novo Sub Sole
(61:34, Unicorn Digital, 2005)

Wenn es an einem düsteren Tag keine Hoffnung mehr gibt, dass trotz unzähliger Promos eine brauchbare CD ihren Weg in den Player findet, wenn das Wetter statt Sommer eher auf Unwetter und Weltuntergang gepolt ist, dann kommt ganz unverhofft doch noch die Erlösung, mit dem perfekten Soundtrack für so einen Tag. Die Retter nennen sich Nil, stammen aus Frankreich und legen mit ihrem atmosphärisch dichten Werk "Nil Novo Sub Sole" ihre inzwischen vierte CD vor, die sich absolut gewaschen hat. Bereits der über 20-minütige, mehrgeteilte Opener "Le gardien", bietet in seinen verschiedenen Teilen einen Vorgeschmack auf die unterschiedlichen Eindrücke, die im weiteren Verlauf des Albums noch folgen sollen. Doch auch dieser stimmungsvolle, düstere Monstertrack an sich kann mit seinen verschiedenen inhaltlichen Wechseln überzeugen. Nach sanftem Beginn folgen mehrfache Spannungsaufbauten, abgelöst durch schräge, härtere, aber auch melodische Überleitungen, die letztendlich gegen Ende in einem sagenhaften, sehr expressiven, sich immer mehr in neue Sphären schraubenden Gitarrensolo münden. Nil kann man zwar sicherlich stilistisch ganz grob ins weitgefasste Retro Prog Raster stecken, doch geht es bei ihnen nicht nur um die Reproduzierung von Sounds und Ideen aus einer anderen Zeit, sondern vielmehr nutzen sie die Grundlage der 70er, um diese mit modernen Einflüssen und Sounds anzureichern, dabei auch nicht den Blick über den eigenen musikalischen Horizont außer Acht zu lassen. So erinnern einige Passagen zwar an das Gitarren- und Rhythmusgeflecht von King Crimson, finden sich mitunter melodische Momente, die man auch bei anderen Sinfonic Bands heutzutage findet, doch ist dies nur ein Teil der Zutaten im ganz eigenen Mix von Nil, der vor allem durch seine knisternde, immer wieder neu aufgebaute Spannung beeindruckt. Eine weitere wichtige Änderung auf dem aktuellen Longplayer ist die Abkehr von hauptsächlich rein instrumentaler Musik. Mit der stimmlichen Ergänzung in der Person von Roselyne Berthet wurde dabei ein absoluter Volltreffer gelandet. Ihre variable, sicherlich auch polarisierende Stimme, die flüstern, sanft erzählen, aber auch schräg die Töne herausschreien kann, sorgt für eine deutliche Bereicherung der Musik von Nil, die sich dadurch in teils ähnlichem Terrain wie die Landsleute Halloween bewegen. Doch muss man keineswegs auf ausufernde Instrumentalparts verzichten, denn Gitarrist David Maurin und Keyboarder Nejamin Croizy geben sich immer noch solistisch die Klinke in die Hand. Ob in elegischer, fließender Ausprägung oder ob herrlich komplex, virtuos verspielt, die Franzosen beherrschen die Klaviatur der gekonnten inhaltlichen Wechsel. Nil sind nach Taal und Nemo eine weitere interessante, aktuelle Band aus Frankreich, deren aktuelles Album man ohne Reue weiterempfehlen kann und von denen man auch zukünftig sicherlich noch einiges erwarten darf.

Kristian Selm



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