CD Kritik Progressive Newsletter Nr.53 (09/2005)
Nektar - Down to earth
(67:18, Eclectic Disc, 1974)
Nektar - Door to the future (The Light Show Tapes Volume 1)
(74:01, Eclectic Disc, 2005)
In der Reihe der Nektar Reissues bzw. Archiv-Aufbereitungen sind seit August zwei weitere CDs aus der umfangreichen Historie der Band erhältlich. Zum einen das 74er Album "Down to earth", sowie der erste Teil der "The Light Show Tapes", bei dem es sich um offizielle Bootlegs mit historischen Konzertaufnahmen handelt und die in Zukunft noch fortgesetzt werden soll. Nach dem 73er Konzeptwerk "Remember the future" legten Nektar ein Jahr später mit "Down to earth" wiederum ein Konzeptalbum vor, doch dieses mal unter ganz anderen Vorzeichen. Während der Vorgänger nur aus zwei jeweils eine Langspielplattenseite füllenden Longtracks bestand, tummelten sich auf "Down to earth" insgesamt 9 Songs. Das Album wurde konzeptuell durch eine Art Zirkus-Atmosphäre und der inhaltlichen Interpretation des "Lebenszirkus" zusammengehalten. So gibt es hin und wieder eingespielten Applaus, zirkusähnliche Passagen mit Blechbläsern, sowie einen Direktor, der mit stark deutschem Akzent die Nummern ankündigt. Lustigerweise wird diese Rolle von ex-Hawkwind Robert Calvert eingenommen, der es wirklich perfekt schafft, die teutonische Aussprache des englischen zu imitieren. Damit ist auch schon fast Schluss mit lustig, denn musikalisch bewegen sich Nektar auf diesem Album eigentlich nur noch in solidem 70er Jahre Rock - von den früheren psychedelischen Einflüssen bzw. sinfonischem / progressiven Gedankengut ist auf diesem Album fast weit und breit keine Spur. Hin und wieder blitzt in einigen Passagen die Energie und Spielfreude früherer Tage auf, doch meist wird das Album von netten, aber weitgehendst harmlosen Melodien beherrscht. "Down to earth" wirkt somit als sehr krass ausgefallener Stilbruch zur Vergangenheit und enttäuscht mehr, als dass Nektar mit dieser Neuausrichtung richtig überzeugen können. Glücklicherweise gelang es mit dem Nachfolger "Recycled", die Band wieder auf den richtigen, wenn auch wesentlich sinfonischeren Weg zu bringen, weswegen "Down to earth" doch mehr ein Album für Komplettisten bleibt. Optisch und von der Aufbereitung der Neuauflage gibt es hingegen nichts zu meckern, denn wie bei den anderen Reissues von Eclectic Discs, wurde das Booklet mit neuen Fotos und Liner Notes erweitert, bekommt man als Bonus zudem diverse Titel in den ursprünglichen Abmischungen zu hören. Aus dem gleichen Jahr wie "Down to earth" stammen die Aufnahmen von "Door to the future", welches verschiedene Titel von der "German Tour 1974" aus Konzerten in Bietigheim und Bielefeld enthält - beide übrigens konsequent falsch als Beitigheim und Beilefeld auf dem Booklet bezeichnet. Es handelt sich dabei mit Absicht nicht um ein komplettes Konzert, vielmehr wurden vor allem Titel ausgewählt, die noch nicht auf den verschiedensten offiziellen Livealben von Nektar vertreten sind, wobei man u.a. auch fünf bisher in dieser Form gänzlich unveröffentlichte Titel dazupackte. Zukünftig soll diese Reihe aber auch mit kompletten Mitschnitten aufwarten, da noch einige Schätze in den umfangreichen Archiven schlummern. Auch wenn es sich um einen offiziellen Bootleg handelt, so stammen die historischen Aufnahmen allesamt von Kassettenmitschnitten direkt vom Mischpult. Die Klangqualität ist bis auf einen etwas dumpfen Gesamtsound, leichtes Rauschen und einige Dropouts für ein Bootleg durchaus annehmbar. Da aber das Material hauptsächlich als Fundgrube für die Fans gedacht ist, ist dieses Manko letztendlich verschmerzbar. Hauptsächlich enthält "Door to the future" Titel vom "Down to earth" Album, die aber live mit wesentlich mehr Dynamik und instrumentalen Ausschmückungen aufwarten, was insgesamt eine deutliche Steigerung gegenüber den Originalaufnahmen bedeutet. Das unveröffentlichte Material liegt musikalisch eher auf gehobenem "Down to earth" Niveau, an die Klassiker der Vergangenheit können auch sie nicht heranreichen. Ein paar Ausschnitte von "Remember the future" und "Sounds like this" sorgen jedoch für einen versöhnlichen Gesamteindruck. Mal abwarten, was hier zukünftig noch ausgebuddelt wird.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2005