CD Kritik Progressive Newsletter Nr.53 (09/2005)

Mahavishnu Tribute - Visions of an Inner Mouting Apocalypse
(61:51, Tone Center / Mascot Records, 2005)

Die Zusammenarbeit unter diesem Stern ist dem Gitarristen und Jazzrock Produzenten Jeff Richman zu danken, der selbst Hand anlegt und als Rhythmus- und Sologitarrist auf diesem äußerst interessanten Tribute Album arbeitet. Ein Wunder, dass es mehr als 30 Jahre bedurfte, die Musik von John McLaughlin, dem Zauberer des Jazzrock, und seiner Band Mahavishnu Orchestra zu covern. Das Mahavishnu Project, wie diese Band aus den USA, geht, durch den Gitarristen höchstselbst autorisiert, mit dem McLaughlin Material auf Tournee, demnächst gar in Zusammenarbeit mit Mahavishnu persönlich sowie Rick Laird, Jan Hammer und Jerry Goodman, allesamt Musiker der besten Besetzung dieser traumhaften Band ever. Und jetzt liegt die CD dieses weiteren Projektes vor, darunter mit Kai Eckhardt (b), Mitchel Forman (key) und Jerry Goodman (vi) drei Musiker, die mit John McLaughlin arbeiteten (in verschiedenen Perioden), weiterhin Zappa Schlagwerker Vinnie Colaiuta sowie etliche bekannte Gitarristen aus Rock und Jazz als Solisten: Steve Lukather, Mike Stern, Steve Morse, Jimmy Herring, Frank Gambale, Warren Haynes, David Fiuczynski, Greg Howe sowie John Abercrombie. Jeff Richman hat die Arrangements umgeschrieben, so dass die 10 Tracks keine Kopien der Originale sind, sondern Variationen dessen. Die 10 Songs klingen in den neuen Arrangements leichter, weniger komplex, weniger hart, weniger forsch, weniger jazzig. Harmonisiert und mit einem Gutteil Blues und Funk versetzt, sind die Songs immer noch radikal und wild, aber längst nicht mehr von diesem ungebremsten Adrenalinschub, der sofort ins Hirn schießt. Das soll nicht bedeuten, dass die CD verdorben ist. Keineswegs! Aber der Spannungsherd ist moderater, die Energie organisierter, die Interpretation, nun ja, sanfter, weicher, braver. Das trifft den Zeitgeist, der das Gros der Dinge einfacher macht. Der Eindruck ist dennoch gut. Das improvisative Gespür der Solisten ist grandios, die technisch versierten Musiker haben keine Scheu, alles zu geben, die Stücke wohl geraten zu lassen. Mein persönlicher Favorit ist "Celestial terrestrial commuters". Meine Hochachtung dafür, dass dieser Vulkan an berstender Energie überhaupt und wie sehr gut dabei ist! Das solistische Spiel von Steve Morse ist Wahnsinn und rockt Hölle! Wenn ich persönlich den Gewinner aufstellen müsste, so ist das Original der Sieger, das ist allen Beteiligten klar. An die Energie der Klassiker des Mahavishnu Orchestras kommt keiner heran. Den zweiten Platz belegt das Mahavishnu Project, die mehr Jazz, mehr Komplexität und vor allem solistische Vielfalt erlauben. Doch Jeff Richmans Projekt ist nicht der Verlierer. Allein die Tatsache, dass der Mann sich dermaßen intensiv mit dem Material auseinandergesetzt und ein so fabelhaftes Projekt erschaffen hat, adelt ihn. Dieses Tribute Album ist eine absolut empfehlenswerte, grandiose musikalische Arbeit mit viel Herzblut. Verlierer sind die Jazzrocker, die John McLaughlin ignorieren. Bleibt nur die Frage, ob die sich erlauben können, zu existieren!?!

Volkmar Mantei



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