CD Kritik Progressive Newsletter Nr.53 (09/2005)
Glass Hammer - The inconsolable secret
(40:00 + 58:34, Arion Records, 2005)
Oh Mann, jetzt gehen Glass Hammer wohl so richtig in die vollen: Plattencover von Roger Dean mit neuem Bandlogo (was ich allerdings mit Verlaub nicht gerade toll finde), Doppel-Konzeptalbum, Bandformierung mit fünf festen Mitgliedern, dazu fünfzehn Gastmusiker und ein komplettes Orchester, sowie ein großzügiger Multimediateil mit Texten, Studiomitschnitten und eine Erläuterung über die Entstehung und Inhalt dieser Geschichte. Das muss man dann erst einmal alles richtig setzen lassen, um dem neue Werk nicht vorneweg mit zuviel Euphorie, oder je nach Standpunkt, mit einer Negativhaltung entgegenzutreten. Die Story ist von einem mittelalterlichen Thema geprägt und ist doch recht verworren, so dass ich hier gar keine großen Worte darüber verlieren will, und verweise lieber auf das angesprochenen Video, das sehr ausgiebig darüber informiert. Und so kommen wir dann schon zum wichtigsten, nämlich zur Musik, die ich aufgrund des Konzept-Charakters zwar ungern in zwei Hälften (CD1 und CD2) trennen möchte, doch aus musikalischer Sicht gibt es erhebliche Unterschiede, die so einfach klarer herauszustellen sind. CD1 trägt den Untertitel "The Knights" und enthält zwei Longtracks mit einer Spielzeit von ca. 15 sowie 25 Minuten. Hier belassen Glass Hammer musikalisch so gut wie alles beim alten. Es gibt wieder eine volle Breitseite, des wohl inzwischen jedem bekannten retrolastigen Glass Hammer Bandsounds, hauptsächlich in Form von ELP, Yes, und Genesis. Erstklassige voluminöse und virtuose Tastenklänge von Hammondorgel, Mellotron, Klavier, Keyboards und nach dem Klang zu urteilen recht alte Synthies, bestimmen das Gesamtbild. Das Orchester hält sich bis auf kleinere Streicherparts noch sehr zurück, und den Gesang teilen sich wie gewohnt Steve Babb, Fred Schendel, Walter Moore und Susie Bogdanowicz. Aber irgendwie packt mich die Musik nicht ganz so stark, wie dies noch auf "Chronometree" und "Lex Rex" der Fall war, und noch immer ist. Es fehlt mir einfach etwas die Faszination und Extravaganz (zumindest so weit wie dies im Retro-Bereich denn überhaupt möglich ist) in diesen beiden besagten Stücken. Stellenweise liegt es aber auch an der Gitarrenarbeit, besonders an der Lead-Gitarre, die zwar bei Glass Hammer noch nie großartig im Vordergrund stand, jedoch hier so gut wie überhaupt nicht anwesend ist. Kommen wir zur zweiten CD! CD2 trägt den Untertitel "The Lady" und bietet mit vielleicht einer Ausnahme ein völlig durchkomponiertes Musical. Die Orchestermusik steht jetzt in allen Belangen im Vordergrund, und es gibt die verschiedensten Gesänge und Chöre zu hören, die ein wenig Rockoper-Feeling aufkommen lassen. Auch wenn die musikalischen Ausdrucksmittel von Glass Hammer immer noch deutlich zu erkennen sind, ist Ihr Mix aus Prog Rock und mittelalterlichem Folk Rock immer in opulenten klassischen Arrangements eingebettet. Absolut genial werden durch die Orchester-Ouvertüren sowie den vielfältigen Gesängen die Emotionen und Stimmungen zum Ausdruck gebracht. Als Orientierungshilfe kann Rick Wakemanïs Opus "Journey to the center of the earth" durchaus herangezogen werden. Natürlich ist dieser orchestrale Touch Geschmacksache, und wird von manchen, einfach nur mit Kitsch in Verbindung gebracht. Trotzdem ist "The inconsolable secret" ein insgesamt doch recht ambitioniertes Werk, das eindeutig kein aufgeblähtes Bombastmonstrum geworden ist. Allerdings wurden sehr oft alte Ideen neu aufgewärmt, und lassen so vieles mächtig gewollt klingen.
Andreas Kiefer
© Progressive Newsletter 2005