CD Kritik Progressive Newsletter Nr.52 (06/2005)

Retrovértigo - Idéjala!...Está triste
(62:22, Musea, 2003)

Von jeher graben Musea immer wieder Progbands aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturkreisen aus. Mit Retrovértigo geht die Reise dieses mal nach Südamerika, genau genommen nach Venezuela, einem Land, welches musikalisch neben den wenigstens in Insiderkreisen bekannten Tempano doch eher wenig zu bieten hat, und eine Band aus dieser Region definitiv immer noch zu den Exoten zu zählen ist. Doch so exotisch wie die Herkunft ist die hauptsächlich rein instrumentale Musik der vierköpfigen Band (Gitarre, Keyboards, Bass, Schlagzeug) keineswegs. Etwas unbeholfen beschreibt die Plattenfirma den Stil als Mix aus King Crimson (vom Gitarrensound), der Atmosphäre von Gothicbands, wie auch avantgardistische Einflüsse vorhanden sein sollen. Nun ja, man kann Retrovértigo auch ganz einfach in die Postrock (hat übrigens nichts mit deutschen Post zu tun!) Schublade stopfen, denn ihre Musik beruft sich weniger auf die "alten" Bands, sondern zieht seine Inspiration vielmehr von Bands wie z.B. Mogwai, Sigur Rós oder Mono. So baut die Musik viel auf sich langsam steigernde Wiederholungen, wird viel mit Atmosphäre und sachten Dynamiksprüngen gearbeitet. So passt auch der zuweilen etwas nach Hinterhof und Garage klingende Sound bestens zur Musik. Während der doch etwas zu simpel gestrickte, lediglich auf wenige Akkorde beruhende Opener "Mi padre nunca me llev a Roma" nicht weiter auffällt, sorgt vor allem der sachte Einsatz von Keyboards beim nachfolgenden "La esperanzadora" für wesentlich mehr stimmungsschaffende Klanglandschaften, bekommen hier die schleppenden Gitarrenakkorde einen passenden Unterbau geliefert. Gerade diese Stilistik bestimmt einen Großteil des Albums, abgesehen davon, dass Retrovértigo mitunter in eine eher spröde, nicht immer fesselnde Simplizität verfallen. Langsamkeit, Traurigkeit, Endlosigkeit und Dunkelheit sind die am besten beschreibenden Worte für dieses Album, welches über einen erstaunlich melancholischen Grundcharakter verfügt und nie und nimmer auf südamerikanische Wurzeln schließen lässt. Letztendlich fehlt es den Südamerikanern noch an Kontinuität, sowie auf gesamte Albumlänge an packenden Ideen. In einigen Augenblicken blitzt bereits auf, zu was die Band aus Venezuela fähig ist, doch gelingt noch nicht alles zur vollsten Zufriedenheit.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2005