CD Kritik Progressive Newsletter Nr.52 (06/2005)
K2 - Book of the dead
(46:38, Progrock Records, 2005)
Ästhetischer Blickfang! Ganz der Musik entsprechend, die sich symphonisch und bombastisch ausbreitet, mal von schweren Mellotron-Samples großmalerisch entworfen, dann von witzigen Synthesizer-Figuren gezeichnet, harmonisch komplizierter Orgel untermauert und irre flitzenden Gitarrensoli variiert. "Book of the dead" ist eine reiche Produktion. Und sie ist nicht ganz neu. Bereits 2003 eingespielt, hat der Autor dieses umfangreichen und anspruchsvollen Werkes wohl erst jetzt die Gelegenheit gehabt, den Vertrag mit Progrock Records zu zeichnen. Die Musik ist stilistisch ein- aber nicht schmalspurig. Der sinfonische Neo Prog hält in Richtung Jazzrock und zum düsteren Old School Prog Ausschau und zieht Inspiration (und Personal) daraus. Die stets erheblich das melodische Geschehen bestimmenden Keyboardorgien halten nicht inne, dauerhaften Bombast zu inszenieren. Ohne Unterlass zeichnen die verschiedenen Keyboards die Songs völlig und vollständig aus. Es gibt kein Entrinnen! Aber das kann der Musik nicht zum Vorwurf gemacht werden. Alle Konzentration gehört der ganzen Symphonie, und die ist längst nicht weich gezeichnet. Mellotron-Fans werden ihre große Freude haben, der Himmel hängt voller, ja, Mellotron-Sounds. Aber das ist nicht alles. Neben Ken Jaquess, dem Chef (Idee, Komposition, Text, Arrangement, Produktion) des Ganzen, der einen ausgezeichneten Sinn für schönes, und gar auch abstraktes Bass-Spiel hat, hinter den rettungslos mächtigen Keyboardphantasien steht und hin und wieder zur 10-saitigen Akustikgitarre greift (was nicht weiter auffällt), gibt es ein paar Mitarbeiter. Yvette Devereaux spielt wenige, aber schön lyrische Violinenparts, Doug Sanborn bedient eindrucksvoll das große Schlagzeug, John Miner darf auch etwas Gitarren hinzufügen und genau, Allan Holdsworth, eben dieser, stand mit seiner Gitarre im Weg herum. Vor allem aber hat er, wenn er dran war, diese für ihn typischen und tollen Soli eingebracht, nicht sehr häufig, aber stets wirkungsvoll und grandios! Erstaunlich, wie gut sein melodisches und variables Spiel zum Keyboardmarathon passt. Und als sei das alles noch nicht genug, darf Ryo Okumoto, auch eben dieser jener welche, Piano und Moog beitragen. Sänger der klassischen Orgie war Shaun Guerin, der bereits im Rockerhimmel arbeitet (R.I.P.). Die historisch angelegte Geschichte (zeitliche Periode siehe Cover) ist im Booklet nachzulesen, Shaun hatte jede Menge Lyrics zu bewältigen. Und weil seine gedoubelte Stimme diese gewisse Ähnlichkeit zu Peter Gabriel hat... "Chapter I" ist über 23 Minuten lang. Es gibt mehrere sehr gut gelöste markante Harmoniewechsel, verschiede Keyboardsounds und einfach grandiose Gitarrensoli. "Chapter 4" gefällt mir am besten. Das kurze und ruhige, melancholische Stück gibt dem elektrischen Bass Raum, und der tobt sich unglaublich fit und lyrisch über dem hier einmal zurückhaltenden Keyboardgebirge aus. K² (Key Squared) ist ein perfektes Fressen für Keyboardfanatiker und die Hölle für Keyboard- und Prog-Hasser. Ihr braucht euch nur zu entscheiden.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2005