CD Kritik Progressive Newsletter Nr.52 (06/2005)

Amplifier - Amplifier
(62:56, Steamhammer, 2005)

Die Plattenfirma wirft mit Worten wie "eine Wiedergeburt des britischen Rock, des Post-Classic Rock" um sich. Als Vergleichsmomente werden Led Zeppelin, The Who aus der Vergangenheit, aber auch Mogwai oder Massive Attack aus der näheren Gegenwart herangezogen. Name-Dropping ist einfach eine große Bürde, an der die meisten Bands nur souverän in Ehrfurcht scheitern können. Doch bei Amplifier sieht die Sache glücklicherweise etwas besser aus, Kerrang! nominierte sie 2004 als beste Newcomer, die Leser von Visions wählten sie nicht von ungefähr auf Platz 7 der besten Newcomer Bands. Die Vorschußlorbeeren löst das Trio aus Manchester auf ihrem selbstbetitelten Debüt, welches seit dem 6.Juni als Digipack mit Bonus EP über SPV ebenfalls in Deutschland erhältlich ist, fulminant ein. Es gelingt eine echte Symbiose des psychedelischen Rocks der späten 60er, frühen 70er, zusammen mit einer gehörigen Portion modernen, deftigen Alternative Rock, der hin und wieder beim Grunge der 90er vorbeischaut. Da röhren richtig dreckig die Gitarren - Wah-Wah, Rückkopplungen, Übersteuerungen, sowie kreischende Instrumentalorgien sind keine Fremdworte. Eingepackt in atmosphärische, tiefgreifende Rhythmen bewegt sich ein Großteil der Songs (mit so herrlichen Namen wie "Motorhead", "Panzer" oder "Post Acid Youth") jenseits der 6-Minuten Grenze. Es bleibt also genügend Platz für Songentwicklung, prägende Riffs und ausufernde Soloteile. Zudem orientiert sich Frontmann Sel Balamir stimmlich des Öfteren am Tool'schen Klangkosmos. Natürlich stempeln einige Kritiker dieses Album schon wieder als bloße Selbstverliebtheit und sinnloses Gefiedel in Überlänge ab. Okay, einige Songs hätten ruhig ein paar Kürzungen vertragen, doch wird hier keineswegs nur selbstbeseelt verkifft in Saiten und Fellen herumgerührt, diese Scheibe sorgt ebenfalls für einen kräftigen Tritt in den Hintern. Das ist moderner Power Rock in subtiler Schönheit, mit der vordergründigen Inspiration, als im Rock noch die Gitarre das Sagen hatte und nicht irgendwelche oberschlauen Plattenbosse, die nur mit ihren konturlosen Pseudo-Stars auf die schnelle Kohle schielen. So lange bei den größeren Labels immer noch Bands wie Amplifier ihre Chance bekommen, ist der Rock noch lange nicht tot. Genau mit solch qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen kann sich die Branche selbst aus dem Sumpf ziehen, wodurch man fast schon wieder an die Gerechtigkeit von guter Musik glauben mag.

Kristian Selm



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