CD Kritik Progressive Newsletter Nr.52 (06/2005)

Brother Ape - On the other side
(48:21, Progress Records, 2005)

Es dauert eben manchmal etwas, bis Songs bzw. Aufnahmen letztendlich veröffentlicht werden. Manches schlummert jahrzehntelang in den Archiven, bis es mehr oder weniger durch einen Zufall wiederentdeckt wird. Ganz so lange dauerte es zwar nicht bei Brother Ape, der Großteil des Materials des schwedischen Quartetts entstand jedoch bereits in den Jahren 2002-2003, der Titelsong hat immerhin bereits 10 Jahre auf dem Buckel. Eigentlich erstaunlich, dass man bis dato keinen Partner fand, denn die Musik ist keineswegs so angestaubt, wie dies vielleicht das Alter der Aufnahmen vermuten lässt. "On the other side" enthält auf 10 Titeln eine melodische Mixtur aus moderatem Progressive Rock / sinfonischem Rock, der locker mit griffigen Melodien, einem Schuss 80er Jahre Touch, sowie souverän eingewobenen Zutaten aus anderen Stilen spielt. Von skandinavischer Melancholie oder Mellotronbreitwandsound keine Spur, jedoch verfallen Brother Ape auch trotz eines leicht an die 80er erinnernden Soundbilds nicht ins Zitieren des Neo Prog Einerleis mit den allseits bekannten Versatzstücken. Dennoch wird hier auch nicht einfach nur mit vordergründiger Komplexität und instrumentaler Überdosis gearbeitet, vielmehr wirkt das mitunter leicht traurig erscheinende Songmaterial flüssig eingespielt, locker luftig verpackt, ohne dabei in Plattitüden zu verfallen. Als progigster Track und gleichzeitiges Highlight beschließt zwar der ausladende, interessant verschachtelte, knapp 8-minütige Titelsong das Album, doch bereits zuvor hinterlassen Brother Ape ihre Duftmarken. Was dem Album im Gesamteindruck fehlt, ist hier und da noch etwas mehr Kick und Power nach vorne (dass man durchaus Druck entwickeln kann, beweist z.B. der Anfang von "Unaccomplished"), leichte Ausschmückungen und Verschnörkelungen, die den Songs überraschende Wendungen verleihen könnten. Auch wirkt der etwas zurückhaltende Gesangsstil des Frontmanns eine Spur zu skandinavisch unterkühlt. Interessante Arrangements und eine ausgewogene Balance aus Melodik, Sanftheit und rockiger Breitseite gleichen dies instrumental über weite Strecken wieder aus. Letztendlich hebt sich der Vierer aus dem hohen Norden dennoch durch ein eigenes Profil wohltuend aus der Masse heraus. Man wird es aber nichtsdestotrotz schwierig haben, in der heutigen Veröffentlichungsflut nachhaltig aufzufallen. Einen Versuch und Hinhörer sind Brother Ape aber auf jeden Fall wert. Eine weniger erfreuliche Nachricht noch zum Schluss: Peter Dahlstrom, der zu 60% die Songs von Brother Ape singt, hat Mitte Mai völlig überraschend die Band aus rein persönlichen Gründen verlassen.

Kristian Selm



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