CD Kritik Progressive Newsletter Nr.51 (03/2005)

Sleeptytime Gorilla Museum - Of natural history
(71:45, Web of Mimicry, 2004)

Jeden Morgen wenn ich in den Spiegel schaue, frage ich mich nur eine bange Frage: Finde ich heute die Offenbarung des Progs und geleite diese in eine glorreiche Zukunft? Gestresste Rezensenten sind stets auf der Suche nach dem Unergründlichem, nach der Sensation, nach dem Geistesblitz. Aber es gibt wenig Beständiges in den letzten Jahren glorreiche Scheiben sind rar gesät. Von einer Vielzahl an Releases, die letztes Jahr über meinen Schreibtisch, respektive an meinen Ohren vorbeirieselten, ist wirklich wenig konsistentes dabei; wenig, von dem ich mir vorstellen kann, dass ich es auch in ein paar Jahren mit der selben kindlichen Begeisterung höre, wie ich es bei den ersten Malen getan habe. Sleepytime Gorilla Museum waren schon mit ihrem Debüt "Grand Opening And Closing" sehr nahe daran, mich in sabbelndes, unkritisches Verzücken zu versetzen, doch war mir ihr Debüt noch zu kopflastig (sprich, der beste Song "Sleep is wrong" war der Opener), so ist ihr 2004er Output "Of Natural History" deutlich ausgewogener und auf einem irrsinnig hohem Niveau. Mehr denn je klingen SGM so, als ob die 1970er Crimso auf harten Drogen richtig schmutzige Texte singen würden und dabei ihre Instrumente mit der Sorgfalt eines Amokläufers zertrümmern würden. Detailreich und variabel, böse und zynisch und ganz und gar pietätlos zersägen Sleepytime Gorilla Museum jede geheilige Tradition im Prog: Wenn sie über Einhörner singen würden, ich bin sicher, SGM würde sie grillen und mit Genuss vor einer Horde entsetzter Elfen und Jester verspeisen. Das wirklich erstaunliche an der Musik des Sextetts ist, dass sie so physisch (auf mich) wirkt, obwohl sie alles andere als roh oder grobschlächtig ist. SGM sind meilenweit vom etwas debilen Progmetal entfernt, aber sie sind eben genauso weit entfernt vom kopfigen, elitären und etwas technisch-langweiligen RIO. Das macht sie in ihrer Art einzigartig und unverkennbar. Ist Sleepytime Gorilla Museum nun aber die Offenbarung des Progs? Oh, ich würde ihnen gerne diesen Titel pari meritis mit anderen non-konformistischen Bands wie Discus, The Mars Volta oder Taal verleihen, doch ich bin mir fast sicher, dass sie eher für die Apokalypse des Progs stehen. Wie dem auch sei, für mich ist "Of Natural History" schlichtweg das beste Album des vergangenen Jahres.

Sal Pichireddu



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