CD Kritik Progressive Newsletter Nr.51 (03/2005)
Kaada / Patton - Romances
(42:34, Ipecac Recordings, 2004)
Mike Patton ist ein ziemlich verrückter, "abgedrehter" und an außergewöhnlicher Musik interessierter Musiker, das ist nichts Neues. Dass er nicht der einzige dieser Art ist, dürfte auch klar sein. Und wenn sich zwei dieser Art treffen, um gemeinsam zu musizieren, dürfte das Ergebnis, so es denn gelungen ist, sehr interessant sein. Und genau so ein gelungenes Teil ist "Romances". Der Norweger John Erik Kaada (Instrumente) und Mike Patton (Stimme) haben ein sehr interessantes und ordentlich "schräges" Werk eingespielt. "Romances" ist völlig unvergleichlich, vielleicht mit gewisser Nähe zu den Italienern Goblin, zu deren melodischer Düsternis und harmonisch vielfältiger Spannung. Die verspielten Motive sind inspiriert von klassischen Komponisten wie Gustav Mahler, Chopin, Brahms und Franz Liszt. Die Namen der Songs wurden von französischen Songs des 19. Jahrhunderts geliehen, die eher lautmalerischen Voices, denn wirklichen Texte finden damit ihre wohlklingende, romantische Ergänzung. Die Platte klingt idealtypisch wie der Soundtrack zum großen Zombie-Schunkeln, während die Untoten wieder singen. Das Drama bitte im Stil uralter Schwarz-Weiß-Schinken nachts um drei hinter der Kapelle auf dem Friedhof! Die Jungs lassen eine Säge singen, Odysseus' Sirenen durch den Nebel rauschen und einen russischen Obdachlosenchor in zaristischen Palastruinen summen. Und obschon sich ein surrealer Grusel vermittelt, beruhigen Harmonie und Schönklang der Songs doch wieder. Hin und wieder gibt es auch emotionale Ausbrüche, in denen ausgeflipptes Schlagzeugspiel Patton zu wilden Schreien hinreißt, was einfach köstlich ist und dem Song plötzlich eine Ahnung von Metal verleiht. Vielleicht ist die Stille auf "Romances" überhaupt auch nur die "umgekippte", ins Stille gewechselte Variante von Metal. Hin und wieder rutschen die beiden mit ihren irrwitzig komischen Songmotiven auch haarscharf am schmalztropfenden Kitsch vorbei, wenn sie zu einer geisteskrank erscheinenden Harmonie zum "Di-Da"-Gesang anheben. Dann scheint es, als torkelten die Bewohner des Altersheimes der Schlagersänger durch die Nacht, auf der Suche nach dem Pfleger mit der Spritze. Dieses Album ist göttlich und von einer beseelten Verrücktheit, die ihresgleichen sucht und großen Spaß macht. Was für ein Glück für Avantgarde-Interessierte und solche, die es werden wollen, dass es Labels wie Ipecac und ihre Macher und Musiker wie Mike Patton gibt, die phantasievollen Musikern wie Kaada eine Basis geben. Reinhören unbedingt empfohlen!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2005