CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)
Jordan Rudess - Rhythm of time
(59:13, Magna Carta, 2004)
Alle drei Keyboarder von Dream Theater in einem Heft, wirklich ein komischer Zufall, dass innerhalb der letzten Monate sowohl Alben von Kevin Moore / Chroma Key, Derek Sherinian, sowie das an dieser Stelle vorgestellte neue Epos von Jordan Rudess erschienen. Während Kevin Moore inzwischen in anderen Sphären und klanglichen Regionen schwebt, sind Sherinian und Rudess noch eindeutig im virtuosen, frickeligen Prog Metal / Fusion / Progressive Rock ihrer (ex)Stammcombo verwurzelt. Dennoch unterscheiden sich die beide in nicht unwesentlichen Details, denn während Keyboard-Ego Sherinian durchgehend sehr überladen krachend agiert, bei ihm mehr die Rockstar Attitüde durchscheint, hat Rudess ein Faible für verschiedenartige Sounds und Stimmungen, eine kleine Schwäche für klassische Momente, sowie trotz hohem Frickelfaktor, auch die Gabe sich zurückzunehmen und nicht ständig nur den Hörer zu überfahren. "Rhythm of time", sein zweites Soloalbum, ist zwar im weitesten Sinne ein aberwitziger Par-Force Ritt durch filigrane, temporeiche Schnellspielerei, dennoch kommt beim amerikanischen Tasten-Wizard nicht nur der Kopf, sondern auch der Bauch zur Geltung, wird manches mal mit aberläufigen Stilwechseln (bis hin zu Swing, Sinfonik, zappaesken Einfällen) gespielt, die aber immer locker, eben typisch amerikanisch und gut rockend, aus den Tasten und Saiten laufen. A propos Saiten, natürlich hat es sich der renommierte Keyboarder nicht nehmen lassen, eine illustre Gästeschar auf sein Album einzuladen, so dass neben ex-Dixie Dregs Kollegen Rod Morgenstein und Bassist Dave LaRue, die Saitenheroen und Shredder-Könige Joe Satriani, Steve Morse, Greg Howe und Vinnie Moore, sowie Gastsänger Kip Winger sich virtuell die Klinke in die Hand geben. Gerade die beiden, zum Teil sehr ruhig angelegten Gesangstitel mit Kip Winger, sorgen für den nötigen Ausgleich im tempodurchflutenden Notengewitter. "Rhythm of time" ist ein technisch beeindruckendes, aber letztendlich auch nicht unbedingt überraschendes Album, da man es auf diese Art sicherlich von Jordan Rudess erwarten durfte. Dennoch: in den ruhigen Momenten erkennt man, dass hinter dem Virtuosen auch ein überraschend guter Songschreiber und Arrangeur steckt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004