CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)

Ricocher - Chains
(55:34, ProgRock Records, 2004)

Klar, es muss nicht immer nur hochkomplex zugehen, man muss sich als Band nicht ständig nur auf die Suche nach neuen Extremen begeben, gerade in der melodischen Sparte des Progressive Rocks / Neo Progs gibt es inzwischen so etwas wie "Prog Mainstream", der sich einfach bei bekannten Versatzstücken bedient und dies in leicht verdaulicher Spielweise neu aufkocht. Kein Vorwurf so weit, denn so lange alt Hergebrachtes immer noch gut und originell funktioniert, ist dieser Ansatz auf jeden Fall besser, als irgend etwas völlig Verqueres und Unpassendes zusammenzustückeln. Auf dem dritten Album von Ricocher beschleicht einen jedoch viel zu oft das Gefühl alles irgendwie schon mal gehört zu habe, jedoch eben wesentlich besser, ohne dass man Ricocher vorwerfen kann, dass sie ihre Sache schlecht machen. Je öfter man sich das Album anhört, umso mehr fühlt man sich vom "Anhörgefühl" wohl, sofern man ein Faible für die melodischen Neo Prog Variante hat. Es ist auch nicht unbedingt ein handwerklicher Vorwurf an die Holländer, aber die Arrangements wirken einfach zu ausgelutscht, klingen leider viel zu oft nach 1000x gehört, ständig schwirren einem ähnlich veranlagte Bands wie z.B. Clepsydra oder manches mal die frühen Marillion als Vergleich im Kopf herum. Bei Ricocher kommt der melodische Weichklang oftmals einfach zu süßlich, zu unüberraschend in die Gänge, auch wenn ein paar harte Gitarrenriffs ansprechende Akzente setzen können, die Soloparts an Keys und Gitarre durchaus über sinfonische Eleganz verfügen und gleich beim ersten Anhören haften bleiben. Doch als weiterer Stolperstein für die Ohren kommt ein Frontmann hinzu, der in stimmlich eigenartigen Regionen, sehr akzentbeladen und mit eigenartigen Betonungen seine englische Texte trällert, wodurch man sich also mit einigen weiteren Nebengeräuschen erst einmal arrangieren muss. Ricocher haben wohl einfach das Pech um einige Jahre zu spät auf der Bildfläche erschienen zu sein, denn für die Bands von ihrem Kaliber ist die Zeit inzwischen wohl eher vorbei, während man Ende der 80er / Anfang der 90er aufgrund des mangelnden Angebots sicherlich noch begeistert gewesen wäre Nichtsdestotrotz kann die Leistung dieses Albums als in sich geschlossen, solide bis überdurchschnittlich eingestuft werden, handelt es sich um eine kurzweilige Angelegenheit und sollte bei den Fans der melodischen Neo Prog Variante durchaus zum Antesten ihre Berücksichtigung finden.

Kristian Selm



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