CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)

Chaneton - The first lights of the century
(74:49, Record Runner, 2004)

Da hätten wir wieder mal eines dieser Alben, die dokumentieren, warum der Begriff Neo Prog über die Jahre leider einen recht negativen Anstrich abbekommen hat. So wie bei Chaneton der nicht immer tonsichere Sänger Patricio Villanueva voll vokalem Pathos fishiger als Fish, gabrieliger als Peter Gabriel zu klingen versucht, kann man jene Kritiker verstehen, die solch eine Leistung als etwas "ewig Gestriges", dem Weglassen einer eigenen Identität einstufen. Dummerweise findet man auch noch diese typischen, schon so oft gehörten Klischees ebenfalls in der Musik der argentinischen Band wieder: die Keyboardläufe klingen stellenweise relativ ausgelutscht, einfach zu oft gehört, bei den Arrangements vermisst man die eigene Note, den viel zu oft orientieren sich Chaneton zu offensichtlich an den End 70er Genesis bzw. den frühen Marillion oder anderen Neo Prog Einflüssen, ohne dabei die eigene, unverfängliche Note herausarbeiten zu können. Sicherlich: "The first lights of the century" ist handwerklich und inhaltlich mehr als nur ordentlich, bisweilen ausgezeichnet umgesetzt, man sollte den guten Willen den Argentiniern sicherlich nicht absprechen, denn einige Gitarren- und Keyboardläufe kommen wirklich gut daher, aber man hat diese Versatzstücke eben einfach schon zu oft gehört. Hat man sich jedoch mit den offensichtlichen Makel dieser Produktion angefreundet, schaltet man das eigene Wissen einfach gedanklich aus, kommt man nicht umhin Chaneton ein gutes Gespür für das zu attestieren, was sie hier zitieren: gut gemachten Neo Prog mit klanglichem 70s Einschlag, durchaus souverän und spieltechnisch gekonnt umgesetzt und eingespielt. "The first lights of the century" setzt auf gute Melodien und tighte Arrangements, bleibt zeitlich rückwärts gerichtet. Wäre dieses Album Anfang der 80er erschienen, wäre es sicherlich aufgrund der damals lauen Marktlage auf breite Begeisterung gestoßen, rund 20 Jahre später haben inzwischen andere Stile und Bands das Sagen, die sich wesentlich überzeugender präsentieren. Chaneton bleiben somit in ihrem Stilsumpf verhaftet und müssen sich leider den Vorwurf gefallen lassen, einfach zu viel geklaut zu haben - nicht schlecht, aber leider wenig originell.

Kristian Selm



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