CD Kritik Progressive Newsletter Nr.50 (12/2004)

Can - Monster Movie
(38:10, Warner, 1969)
Can - Soundtracks
(35:20, Warner, 1970)
Can - Tago Mago
(73:32, Warner, 1971)
Can - Ege Bamyasi
(40:13, Warner, 1972)

Can sind ein lebendiges Stück deutscher Rockhistorie. 1968 von ursprünglich fünf Musikern mit sehr unterschiedlichem Hintergrund gegründet, gelang es ihnen auch auf internationaler Ebene Rockmusik Made in Germany hoffähig zu machen. Durch ihre Experimentierfreudigkeit, gleichzeitig aber auch dem Hang zu hypnotischen Minimalismus, sowie die Gruppe über das Ego des Einzelnen zu stellen, schufen sie vor allem zu Beginn ihrer Karriere bahnbrechende Alben. Seit Anfang Oktober sind ersten vier Can Alben „Monster Movie“, „Soundtracks“, „Tago Mago“ und „Ege Bamyasi“ remastert auf Hybrid CD erhältlich, der nächste Block kommt im Frühjahr 2005 auf den Markt. Hybrid CD bedeutet, jeder CD-Player oder jeder SACD-Player sucht sich die Spur aus die dem technischem Format entspricht. Irmin Schmidt selbst dazu: "Ich denke wir haben ein tolles Produkt von hervorragender Klang- und Tonqualität hergestellt." Das im Dezember 1969 erschienen Debüt „Monster Movie“ ist zwar noch vom Beat, sowie den Anfängen des Krautrock beeinflusst, aber bereits hier treten die endlosen Rhythmusmuster auf, welches eines der Markezeichen von Can werden sollte. Neben dem improvisierten, mal herausgeschrieenen, mal unverständlich genuschelten „Gesang“ von Malcolm Mooney, sind es vor allem verquere Gitarrensoli und eigenartige psychedelische Klangexperimente, die hier für die damalige Zeit etwas völlig Neuartiges heraufbeschworen. Das Album kulminiert in dem hypnotischen 20-Minüter „Yoo doo tight“, welches man aus einer ellenlangen Session, auf das immer noch epische Format zusammenschrumpfte. Das zweite Album von Can, ist im Grunde genommen eigentlich gar nicht ihre zweite offizielle Veröffentlichung. „Soundtracks“ entstand eher auf Druck der Plattenfirma, die einen Nachfolger für das Debüt veröffentlichen wollte. So machte man aus der Not eine Tugend, nahm diverse Titel, die Can für verschiedenste Soundtracks eingespielt hatte und brachte sie unter dem vielsagenden Titel „Soundtracks“ auf den Markt. Natürlich sind die Beiträge von Can weit ab von dem, was man unter „normaler“ Soundtrackmusik erwartet. So schwanken die Titel zwischen psychedelischen Gitarreexplosionen, schrägen und gequälten Tönen, aber genauso zurückgenommenen Momenten bzw. Balladen, die man durchaus als „richtige“ Songs erkennen kann. Definitives Highlight des Album ist das grandiose, über 14-minütige „Mother sky“, welches sich im immer gleichen Rhythmus in fulminanter, minimalistischer Dramatik kontinuierlich steigert. Mit dem schwer verdaulichen Doppelalbum „Tago Mago“ lieferten Can sicherlich ihr Meisterstück ab. Der neu hinzugestoßene Straßenmusiker Damo Suzuki sorgte mit seinen meist völlig sinnlosen Texten, die aber die Musik perfekt ergänzten, sowie stimmlichen Experimenten für den letzten Mosaikstein im großen Can Gebilde. Das Album gibt sich über weite Strecken endlosen Wiederholungen hin, experimentiert auch mal gefährlich nahe mit Stücken in komplett freier Form am unerträglich anhörbaren Avantgarde, um aber immer wieder, durch die in einer Endlosschleife gefangenen manisch vor sich hin tickernden Rhythmen, gerade so noch die Kurve zu kriegen. Gitarre und Tasten erobern klanglich völlig neue Sphären, setzen den willkommenen Gegenpol zur monotonen Rhythmusmaschinerie. Auch wenn vieles auf „Tago Mago“ im ersten Augenblick eigenartig, seltsam, ja richtig merkwürdig klingt, so wird man doch immer mehr in die hypnotische, irgendwie faszinierende Musik hineingezogen. Mit „Spoon“, der Titelmusik zum Francis Durbridge Krimi „Das Messer“ erzielten Can einen überraschenden Singlehit, der es bis in die Top 10 der deutschen Charts schaffte. Für Can Verhältnisse ein recht verdauliches Stück Musik, aber dennoch weit von irgend welchem Kommerz entfernt. Und so folgen auch die restlichen Stücke auf „Ege Bamyasi“ der Can Maxime der experimentierfreudigen Monotonie. Zwar wirkt das 72er Album wesentlich strukturierter, songorientierter als der Vorgänger, dafür werden Feedbacks und Soundexperimente in noch verstärkterem Masse eingesetzt. Doch lebt „Ege Bamyasi“ vor allem von psychedelischen, mystischen Stimmungen und dem unnachgiebigen, monotonen Groove, der die sperrige Musik von Can stetig vorantreibt.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2004