CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)

Ripaille - La vieille que l'on brula
(50:22, Musea, 1977)

Ripaille war (leider) in der französischen Prog-Szene der 70er Jahre nie ein großer Name, daher hat die CD-Wiederveröffentlichung durch Musea kaum für viel Aufsehen gesorgt. Ich weiß zwar nicht, ob noch jemand meine Vorliebe für dieses Album teilt, aber ich halte dieses Werk für außergewöhnlich und es durchaus für angebracht, es an dieser Stelle vorzustellen. Produziert wurde "Die Alte, die man verbrannte" (meine Französischkenntnisse sind recht mickrig, aber etwas in der Art bedeutet dies wohl - falls nicht, bitte korrigieren) im Jahre 1977. Das Albumcover hatte mich damals neugierig gemacht, ein Blick auf die Besetzungsliste bestätigte mir, dass ich mal in das Album hineinhören sollte. Und die Musik, die mir dann entgegenkam, faszinierte mich sofort. Die Vinylversion war seinerzeit bei Ballon Noir erschienen, das einen ersten Hinweis auf einen gewissen Folk-Anteil liefert. Die Coveraufmachung ist recht düster, dazu passend der Untertitel "une farce satanique". Und nicht nur das Cover strahlt eine eigenwillige Atmosphäre aus, die präsentierte Musik steht in nichts nach. Ripaille spielen einen eigenwilligen Mix aus Folk, Symphonik-Rock, Mittelalter-Sound und auch mal leichten Jazz-Schlenkern. Die düsteren Parts werden meist von den Keyboards dominiert, beschwingte Fröhlichkeit äußert sich eher in den folkigen Abschnitten. Primär stammen die Musiker aus dem Folk-Umfeld, sie waren in Bands wie Triskell, Ys, Dan Ar Bras etc. involviert. Nahe liegend ist jetzt, Ripaille mit Gryphon zu vergleichen. Und dies lasse ich als groben Anhaltspunkt auch durchgehen, wobei speziell die beiden letzten Gryphon-Alben eine Facette der Ripaille-Musik ganz gut trifft. Andererseits wird gelegentlich sogar Gentle Giant-Ähnliches zu Gehör gebracht. Keyboards wie auch Gitarre liefern gute Arbeit ab, diverse Perkussionsinstrumente werden einfallsreich eingesetzt, und auch die durchaus variablen Gesangspassagen (natürlich in Französisch) passen hervorragend ins Gesamtkonzept. Zum Keyboardsound sei noch angeführt, dass hier nicht die typische Version Marke Ange oder Mona Lisa gefahren wird - eher vielleicht vergleichbar mit der französischen Band Memoriance, deren zweites Album stilistisch ähnlich ausfällt (übrigens ohne Mellotron). Das Debütalbum von Memoriance wird übrigens demnächst bei Musea ebenfalls wieder veröffentlicht. Ich hoffe, sie legen dann auch deren (besseres) zweites Album nach, das stilistisch ähnlich ausfällt wie Ripaille. Aber zurück zu Ripaille: 1980 hatten sie Material für ein zweites Album zusammengestellt, doch dummerweise gab es finanzielle Probleme, und schließlich löste die Band sich auf. Die Musea-Verantwortlichen haben sich natürlich mal wieder viel Mühe gemacht, und letztlich waren sie auch erfolgreich, denn sie konnten immerhin noch 3 Songs aus dieser Zeit als Bonus-Material sichern. Musikalisch legen sie hier eine kleine Kurskorrektur vor, aber auch dieses Material weiß mich zu überzeugen. Jetzt geht es mehr in Richtung klassischer Prog, an manchen Stellen in der Tat an Ange erinnernd. Ein wirklich sehr eigenwilliges Album. Nie wirklich schräg, aber auch nie glatt und eintönig.

Jürgen Meurer



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