CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)

Marble Sheep - For demolition of a spiritual framework
(59:58, Fünfundvierzig, 2004)

Schön, wenn einem der Pressinfozettel bereits solch kräftigen Umschreibungen des zu rezensierenden Materials liefert. Da kommt man ja fast nicht daran vorbei ganz frech zu zitieren - alleine schon wegen der Wortgewalt der hier ausgedachten Umschreibungen zur Musik: "Sie bewegen sich irgendwo zwischen Motörhead, Grateful Dead und Monty Python, bringen aber mehr Rock'n'Roll auf die Waage als alle drei zusammen!" So, so. Um es kurz zu machen: auf diesem Album wird vor allem dreckig und bizarr gerockt, bis sich die Hörmuscheln verbiegen. Oder um wieder auf die bereits verfasste Vorlage zurückzugreifen: "Ein Bass wie brodelnde Lava, die Drums klingen wie eine Horde Mammuts, die Gitarren wie die Schreie eines Schwarms Ichtyosaurier." Spätestens nach kurzer Zeit merkt man, dass hier wieder mal in jeglicher Hinsicht eine Spur überdrehter an die Sache herangegangen wurde und welch Überraschung: Marble Sheep stammen aus Japan, dem Land der musikalisch unbegrenzten Durchgeknalltheiten. Von simpeler Hauruck Mentalität, psychedelischen Monsterjams bis hin zur bei japanischen Bands so gerne produzierten Selbstkarikatur reicht das musikalische Panoptikum des Marmorschafs aus dem fernen Osten. Hawkwind und andere Bundesgenossen lassen kräftig grüßen. Selbst die gelegentlichen Texte werden in Punk-Attitüde hinausgerotzt, untermalt von einem schunkelhaften Gitarrengerühre - rotzfrech und selbstironisch. Ansonsten wird aus den Saiten alles herausgeholt: ob Rückkopplungen, verfremdete Weltallklänge oder einfache Riffgewitter - alles da, was man so braucht. Währenddessen treibt die Rhythmusmaschinerie das Gefährt stetig voran, womit "der Track klingt, als ob man mit 120 km/h über die Landstraße knallt..." Tja, im Osten ist mal wieder viel los, da verwundert nicht einmal die Randnotiz, dass bei der unglaublichen Lautstärke der Gigs von Marble Sheep schon mehrfach das Stromnetz ihrer Auftrittsorte zusammenbrach.

Kristian Selm



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