CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)
Lizard - Psychopuls
(43:44, Metal Minds Records, 2004)
Anfang / Mitte der 90er gab es einen regelrechten Boom an interessanten Bands aus dem Progressive Rock Sektor in Polen, mit Bands wie z.B. Collage, Quidam oder Abraxas. Leider ist es inzwischen recht ruhig bei unserem östlichen Nachbarn geworden, ein Großteil der Bands ist nicht mehr aktiv bzw. man hat schon lange nichts mehr von ihnen gehört. Zu den angesprochenen Bands gehör(t)en auch Lizard, bereits 1990 gegründet, die sich vor allem zu Beginn als Coverband von UK und King Crimson Material, sowie mit eigenem, nicht weniger interessanter Musik einen Namen machten. "Psychopuls" ist nun nach mehr als fünfjähriger Albumpause ein erneutes Lebenszeichen und um es gleich vorweg zu nehmen, eines mit Ausrufezeichen! Das Konzeptalbum, welches ausschließlich aus mit Nummern und Teilen versehenen Titeln von "Psychopuls" besteht, hat die Wucht, Power und Komplexität, aber auch die fragilen Momente der Vorbilder - vor allem King Crimson sind fast ständig omnipräsent - verbindet diese jedoch mit einer ganz eigenen Note. Bereits "Psychopuls #001 Part 2" haut mit einer formidablen Mischung voll rein, die auf harte KC Riffs, moderne Sounds, sowie einer Geige im Eddie Jobson, sprich UK Stil, baut. Es wäre jedoch zu einfach nur von einer Kopie zu sprechen, denn Lizard sorgen für einen ganz eigenen Anstrich, der sich nicht nur auf den ausschließlich in polnisch gehaltenen Gesang bezieht, sondern auch in der Interpretation der Musik wiederfindet. Die kantig klingende Sprache unterstreicht zwar den spröden, harten und komplexen Charakter der Musik zusehends, aber dass polnisch auch im progressiven Umfeld funktioniert, ist ja spätestens bei den seit den 70ern aktiven SBB bekannt. Für rein anglophil orientierte Ohren sicherlich eine erste Hürde, aber kein Hindernis. Doch musikalisch können Lizard wirklich in jeglicher Hinsicht überzeugen. Gerade die modernen Beats und Sounds, die ebenfalls nicht unerheblich von den aktuellen King Crimson beeinflusst sind, sowie immer wieder Rückgriff auf Progressive Rock Muster aus den 70er machen den besonderen Reiz dieses Albums aus. Härte, Komplexität und mehr sphärische, zurückgenommene Parts gehen eine kongeniale Verbindung ein, die man durchaus als sowohl kalt und technisch, wie auch unheimlich mitreißend empfinden kann. Vor allem gelingt durch langsam sich steigernde Parts eine atmosphärische Dichte, wie man sie in letzter Zeit eigentlich nur noch von Bands aus Skandinavien kennt. Ob akzentuierte Mellotronteppiche, virtuose Keyboardläufe, Loops oder krachende Gitarrenriffs, das Spiel mit den Gegensätzen funktioniert prächtig, erzeugt gänsehauterzeugende Stimmungen und Atmosphären, die den Hörer einwickeln und nicht mehr loslassen. Mit "Psychopuls" sind Lizard endlich wieder präsent - wie gesagt, mit Ausrufezeichen! - mal abwarten, ob nun die zweite Welle aus Polen anrollt oder ob dies nur ein kurzes Aufflackern bleibt. In diesem Sinne: go East!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2004