CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)

Hoppy Kamiyama + Bill Laswell - A Navel City / The one is there
(59:46, Yamaha Corporation, 2004)

Hoppy Kamiyama, gerade kürzlich mit diversen Alben vorgestellt, veröffentlicht schon wieder ein neues Album. Seine Kollaborationen sind legendär, in diesem Fall hat er sich mit der Avantgarde- und Funk-Legende Bill Laswell zusammengetan, die Welt der Tonalität mit Elan und Verve zu strapazieren. Unterstützt wird das Duo von Kiyohiko Semba (dr, perc, el-dr), einem Schlagzeuger, der falsch herum denken kann, zumindest lassen das seine mit Radikal-Breaks versehenen Grooves vermuten. Hoppy Kamiyama hat sich wieder die besten Positionen an Land gezogen: Digital President, Slide Geisha, Ass Hole Box, Gram Pot. Übersetzt heißt das nichts anderes, als dass Kamiyama die diversen Tasten bedient, von akustischem Piano über elektronische Keyboards bis zu Synthesizern. Bill Laswell reicht es, seinen Bass einzustöpseln und einige seiner in den letzten Jahren sehr oft zum Zuge gekommenen Effekte einzubringen. Die 7 Tracks kann man stilistisch unter Avantgarde Funk zusammenfassen. Einbezogen sind eine tiefe Flut Jazz und dynamischer Rock. Alle Stücke hören sich sehr improvisativ an, trotz der dichten, wohl ausgefeilten Struktur hat sich eine laszive Lebendigkeit erhalten, die sich nonchalant aus den Boxen ergießt. Diese Tour De Force ist eine Reise ins Innere, zur Stille, die immer wieder von lauten Ausbrüchen geprägt ist. Ambiente Soundcollagen und folkloristische Worldmusic-Floskeln setzen an den Speckkanten der Songs an. Die selbstbewusste Truppe nutzt die ihr sympathischen Sounds und Stimmungen, ein eigentümliches Gefüge illustrer Musikalität zu setzen. Während das Piano scheinbar zufällig ein klassisches Jazz-Motiv bearbeitet und das Schlagzeug aus Versehen einen straffen Rhythmus hält, ackert der Bass sich durch ein überaus leidenschaftliches Thema, durchforstet die Dunkelheit der Stille nach Tönen, nach Variationen und Harmonien. Doch das Piano hat das Jazz-Motiv längst zersägt und hackt bereits abstrakte Improvisationen, angetrieben vom Schlagzeug, das mit einem Druck spielt, der einer Metalband gut stehen würde. Die CD beginnt mit einem verhallten Rauschen. Daraus schwebt der Bass, von quakigen Lauten aus dem Off verfolgt, die der Synthesizer gibt. Seltsame Sounds schwirren umher, bis das Schlagzeug zu einem entspannten, sehr epischen Beat ansetzt. Die Steigerung dieser Szene, von einem groovenden, grottentiefen Laswell-Bass dynamisiert und dem für mehr Lautstärke empfänglichen Schlagzeug stetig untermauert, findet im Rhythmusbruch Ausdruck. Die Tasten bleiben im Off, verhalten beobachtet Kamiyama das Geschehen, dem Schlagzeuger und Schalk Kiyohiko Semba aus Spaß an der Freude mit völlig verdrehten, irgendwie falsch herum gedachten und gespielten Breaks die geniale Krone aufsetzt. Diese drei Musterschüler eigensinniger und wahrhafter Musikernatur widersetzen sich allen Trends und spielen einen avantgardistischen Jazz-Funk-Ambient-Matsch, der großes Kino für die Ohren ist. Die dynamischen Grooves können gar den Kids gefallen, die sich ansonsten von Allerwelts-Technokram die Sinne betören lassen. Dieser Gemeinklang ist eine gute Erfahrung. Wer allerdings joggt, während er diese Songs hört, sollte die Augen offen halten. Um nicht die 5 Kilometer wieder zurück laufen zu müssen, die er eben frei jeglicher Denke absolviert hat. Ausgezeichnetes, sehr modernes und überaus musikalisches Werk. Dringende Empfehlung!

Volkmar Mantei



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