CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)
Akinetón Retard - 21 Canapés
(42:25, Mylodon Records, 2003)
"21 Canapés" ist bereits die 3. Produktion der Chilenen Akinetón Retard. Im Sommer spielten sie auf dem Freakshow Artrock Festival, gut, dafür eine neue Platte in der Hand zu halten. Die 21 Songs sind sämtlichst sehr kurz, hier knapp über eine, dort längstens 4 Minuten lang. Die höchst unterschiedlichen, fragmentarischen, wie ausgeschnittenen Stücke arbeiten sich durch den Avantgarde Rock wie King Crimson in ihrer schrägsten Phase, wie gemäßigte Tipographica oder folkloristische Birdsongs Of The Mesozoic. Brachial-schräge Atonal-Skizzen wechseln mit melancholischen, seltsam melodischen Motiven. Trotz der Kürze der Songs wirkt das Album geschlossen, hat einen steten Fluss. Die Songs gehen nicht ineinander über, auch treffen völlig unterschiedliche Typen aufeinander, hier klingt es leise aus, dort bricht ein Saxophon rotzende Free-Attacken hinaus. Nonchalantes trifft auf temperamentvolles, Dissonanzen gehen in transparenter Logik auf. Hoch emotionale Stücke verebben in klassischen Skizzen. Akinetón Retard haben einen Ideenreichtum, der wohl kein Ende kennt. Tanderal Anfurness (g, b, key), Estratos Akrias (saxes, cl), Bolshek Tradik (dr), Lectra Celdrëj (b), Yyuck Celasnog (perc), Petras Das Petren (sax) und Edén Carrasco (sax) haben mit einigen weiteren Gästen diese kompromisslosen, überaus unterhaltsamen und kurzweiligen Songs eingespielt. Das ist was für Puristen, die Freude an virtuosem Schnickschnack haben. Da steht ganz klar die Frage im Raum, wie die Band auf der Bühne aktiv wird. Wechseln die Jungs ständig die Instrumente wie Gentle Giant? Holen sie zu längeren Exkursionen aus? Egal wie, wenn sie so intensive Ideen wie auf dieser CD spielen, kann es nur interessant werden. Trotz aller ausgeflippten und reichlich spinnerten Musikalität geht die Band doch nicht zu schräg vor, hält sich Radikalität in Grenzen, gebiert die Musik Lyrik und Stille ebenso wie das brachiale Lärm-Pendant. Schön, dass es solche Band überhaupt noch gibt, die sich einen Dreck um kommerzielle Erwägungen scheren und lieber tief eigentümlich klingen, als höreinfach in den fest strukturierten Vorstellungen der Hörer zu spazieren. "21 Canapés" ist, bis auf das letzte Fragment, das den Zuhörer hässlich und widerlich in die Realität zurückholt, ein eigenartiges, tolles und sehr phantasievolles Album. Dahinter steht gewiss eine humorvolle Band, die sich schief lacht über die Fragezeichen in den Köpfen der Leute, die solche Töne zum ersten Mal hören und nicht wissen, auf welchem Planeten sie stehen. Unbedingte Empfehlung!
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2004