CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)

Nono Belvis / Kike Sanzol - Qué están celebrando
(48:48, Viajero Inmovil, 1982)

MIA war Mitte der Siebziger Jahre Argentiniens erste Adresse für Progressive Rock. Nono Belvis spielte Bass und Gitarre in MIA, die 4 bekanntere Alben veröffentlichten. Doch Ende der 1970er Jahre brach die Band auseinander. Die Musiker, allen voran Lito Vitale, strebten Solokarrieren an. Doch 1982 hatten Nono Belvis und Kike Sanzol die Idee, unter dem Namen MIA zu experimentieren und, offen für neue Sounds und Töne, völlig frei Musik zu schaffen. Einflüsse waren The Beatles, die gerade hochaktuelle ECM-Szene, Hermeto Pascal und Egberto Gismonti. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit waren 7 Songs, die 1982 auf LP veröffentlicht wurden. Jetzt hat Viajero Inmovil die Songs samt 2 Bonustracks auf CD neu realisiert. Nono Belvis spielt vor allem akustische, für die letzten drei Songs der LP griff er zur elektrischen Gitarre. Kike Sanzol nutzt ein großes Ensemble Perkussionsinstrumente: Schlagzeug, Congas, Vibraphon, Gongs und weitere mit solchen exotischen Namen wie Cornetas, Silbatos, Globos und Burbujas. Beide haben die Songs arrangiert und singen hin und wieder, mal Folklore, mal lautmalerischen Nonsens. Das erste Stück beginnt sehr aufgeregt: Kike bearbeitet wie ein Berserker sein Vibraphon, während sich Nono an der akustischen Gitarre ausruht. Das kehrt sich im 2. Song um. Die Musik ist deutlich von argentinischer Folklore geprägt, transportiert aber auch Jazz, teilweise könnte man meinen, Gary Burton mit einem seiner Ensembles zu hören. Die Songs 5, 6, und 7 gehören, obschon selbständig, zusammen. Plötzlich löst die bisherige Harmonie sich in Chaos und Anarchie auf. Free Jazz, Avantgarde Rock und allerlei Ton gewordene Soundspielerei malen ordentlich schräge Klänge. Das findet seinen Höhepunkt im 7. Stück, dem Titelsong. Da scheint der dritte Weltkrieg ausgebrochen zu sein. Die wilde (elektrische) Gitarre sägt heftig an den Nerven und der Schlagzeuger malträtiert die Trommelfelle auf besonders eindrucksvolle Weise. Netter Krach, ein Genuss für Avantgardisten. Die Bonustracks halten sich wieder im harmonischen ECM-Stil auf, das klingt auch schon mal etwas lästig und langweilig, hat aber durchaus was. Mit den frühen Alben von MIA hat diese Produktion nichts zu tun. Hier ist nicht ein Quäntchen Prog zu finden, das ganze ist als Folkjazz oder Avantgarde zu verstehen. Wer die 1970er ECM-Sachen mag, kann mit "Qué están celebrando los hombres" ein (un)heimliches Highlight finden.

Volkmar Mantei



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