CD Kritik Progressive Newsletter Nr.49 (08/2004)

Ray Wilson - The next best thing
(45:40, InsideOut, 2004)

Ray Wilson gelingt es immer wieder den Hörer mit seiner variablen Stimme und musikalischen Bandbreite zu überraschen. Wurde er mit Stiltskin Mitte der 90er als britische Antwort auf den damals angesagten Grunge gefeiert, war er später bei Genesis der Nachfolger von Phil Collins am Mikrofon, so ging es nach dem Ende von Genesis mit Cut in mehr poppige Gefilde. Auf seinen Soloalben zeigt nun das aus Edinburgh kommende Allround-Talent, dass nicht nur eine erstaunliche Breite der verschiedensten Genres in ihm steckt, sondern dass er zudem noch ein ausgezeichneter Songschreiber ist. Auf dem Vorgänger "Change" zeigte er sich mehr von der atmosphärischen, zurückgenommeneren Pop / Rock Seite, "The next best thing" spannt jetzt nicht nur den musikalischen Bilderbogen wesentlich weiter, es ist auch um einiges rockiger und dynamischer, insgesamt abwechslungsreicher ausgefallen. Der aktuelle Longplayer des sympathischen Schotten beginnt ganz zurückhaltend mit dem Anti-Kriegs Song "These are the changes", um dann eher eine überflüssige, etwas modernisierte Version des Stiltskin Hits "Inside" abzufeuern, während das folgende "How high" von Folk hin zu einer voluminösen Rocknummer anwächst. Ganz in diesem interessanten Kaleidoskop der Stile geht es auch im weiteren Verlauf der Scheibe weiter. Ob melancholische Ballade, erdige, kantige Rocknummer oder fein gesponnene Popmelodien - nichts scheint auf diesem Album unmöglich, und dennoch klingt es immer typisch nach Ray Wilson, keineswegs als sinnlos zusammengeklaubtes Stilwirrwarr. "The next best thing" beinhaltet auch dieses mal nur wenig, was an die Genesis Zeit erinnert, am ehesten kann da noch die Piano / Gesangsnummer "Sometimes" entfernt an Peter Gabriel erinnern. Doch Wilson muss sich hier vor keinen Vergleichen fürchten, denn mit seiner erfrischenden Ausstrahlung beweist er eine überaus wohltuende Eigenständigkeit. Zusammengehalten wird "The next best thing" zu allererst natürlich von der leicht rauchigen Stimme von Ray Wilson, jedoch ist sein instrumentale Begleitung durchaus so interessant gestaltet, dass dieses Album keineswegs allein auf die Stimme fixiert ist. Eine wirklich feines Gesamtwerk! Hoffentlich folgt nun endlich mal eine Tour in kompletter Bandbesetzung, damit dieses Material auch mal entsprechend live präsentiert werden kann. Denn Ray Wilson nur im Alleingang an der akustischen Gitarre ist zwar ein schöner, aber auf Dauer doch etwas minderwertiger Ersatz.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2004